Die Luft, die du atmest
erst nach und nach erfahren. Wahrscheinlich ahnte sie es bereits, obwohl sie nichts gesagt hatte. In der Hinsicht war Kate ihrer Mutter ähnlich. Sie hielt ihre Gefühle unter Verschluss. Was hatten die letzten Monate bewirkt? Würde sie durch die Katastrophe zu einer ganz anderen Frau heranwachsen als ohne diese einschneidenden Erlebnisse? Sie würden es nie erfahren.
Natürlich würde sich auch Maddie verändern, aber vermutlich weniger gravierend. Sie war erst acht. Vielleicht würde sie hinterher einfach zur Normalität zurückkehren, wie Kinder es manchmal machten, scheinbar ohne größere Probleme. Oder sie würde später Phobien oder Verhaltensweisen entwickeln, von denen sie nicht ahnte, dass sie auf diese Zeit in ihrem Leben zurückzuführen waren. Vielleicht würde sie Freundschaften scheuen, oder überhaupt emotionale Bindungen. Eine schreckliche Vorstellung. Maddie war die leidenschaftlichere seiner beiden Töchter, die nie genug vom Schmusen bekam, immer als Erste draußen bei ihm am Auto war, wenn er nach Hause zu Besuch kam.
Die Luft im Zimmer machte ihm zu schaffen. Er hatte sich zu dick zugedeckt und strampelte sich frei. Schon besser. Er drehte sich auf die Seite.
Jetzt sah er die Haustür undeutlich in der Dunkelheit hinter dem Flur. Es war eine hübsche Tür, mit schmalen geschliffenen Scheiben zu beiden Seiten und einem breiten Fenster darüber. Das Erste, was Ann und ihm an diesem Haus gefallen hatte, war die Helligkeit gewesen, die Art, wie überall Licht in die Zimmer fiel. Jetzt bedeuteten die vielen Fenster nur noch Gefahr. Es war gut, dass sie fortgingen. In der Hütte würden sie ungestört sein. Dorthin musste erst mal jemand finden. Und wenn doch einer kam, würde Barney Alarm schlagen.
Aber Ann hatte recht. Zweihundert Meilen waren weit. Unterwegs konnte ihnen alles Mögliche zustoßen. Zum ersten Mal seit dem Tod seines Vaters wünschte sich Peter, dass er sein Jagdgewehr noch hätte.
Im Zimmer war es stickig. Wahrscheinlich die Restwärme vom Kamin und zu viele Leute auf engem Raum. Er setzte sich auf. Vielleicht sollte er nach draußen gehen und ein bisschen frische Luft schnappen. Dann konnte er gleich mal nach dem Rechten sehen. Er machte ein paar Schritte auf die Haustür zu und sah, dass sie sperrangelweit offen stand. Wie konnte das sein? Er hatte das Schloss doch gestern Abend kontrolliert, mehrmals. Er blinzelte: Jetzt war sie wieder zu. Er musste sich in der Dunkelheit getäuscht haben. Anscheinend war er müder, als er gedacht hatte.
Er schloss die Tür auf und trat hinaus. Die kalte Luft tat gut. Sein Tag-und-Nacht-Rhythmus war ganz durcheinander. Er wollte sich einfach eine Weile vors Haus setzen und die Straße beobachten. Der Lastwagen und die drei Männer, die die Toten abholten, hatten ihn den ganzen Abend nicht losgelassen. Er wusste, dass man sie für die Transporte eingestellt hatte, aberer fragte sich, ob sie dabei nicht auch in Augenschein nahmen, in welche Häuser leicht einzusteigen war. Arbeit für die Stadt bei Tag. Arbeit in eigener Sache bei Nacht.
Er nahm auf der Bank Platz und lehnte sich zurück.
Dass er eingeschlafen war, merkte er erst, als sich etwas Nasskaltes in seine Hand presste. Er schlug die Augen auf und sah, dass Barney vor ihm saß und den Kopf auf seinen Schoß gelegt hatte. Die Sonne schien. Seine Beine waren von gelbem Licht überflutet.
«Wo kommst du denn her?» Peter rieb sich die Augen und stand auf.
In der Küche begrüßte ihn Ann mit einem Lächeln. «Na, du Schlafmütze. Warum bist du heute Nacht rausgegangen?» Sie trocknete sich die Hände am Geschirrtuch. Das schnelle Hin und Her des Handtuchs tat ihm in den Augen weh.
Kate blickte von ihrem Platz am Tisch auf. «Mom sagt, ich kann meinen Laptop nicht mitnehmen.»
«In der Hütte gibt’s keinen Strom», sagte Ann.
«Stimmt das?» Kate sah ihn vorwurfsvoll an.
Er wusste es gar nicht mehr. Er kramte in seinem Gedächtnis. Gab es elektrisches Licht? Stecker, zum Beispiel für einen Ventilator?
Jetzt redete Maddie. Er wandte sich ihr zu und sah, dass sie Jacob fütterte. Wieder schoss ihm ein Schmerz durch die Schläfen.
«Wir werden Dads Rechner haben», sagte Maddie. «Stell dich nicht so an, Kate.»
«O mein Gott. Weißt du überhaupt, wie blöde du bist?», höhnte Kate. «Dads Rechner wird auch nicht funktionieren.»
«Immer weißt du alles besser.»
«Stimmt doch, im Vergleich mit dir auf jeden Fall.» Kate ließ ihren Löffel laut klappernd in ihre
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