Die Luna-Chroniken, Band 1: Wie Monde so silbern (German Edition)
sie den Impuls beiseite.
»Vielleicht«, sagte sie und probierte ihre Stimme erst einmal aus, um sicher zu sein, dass sie laut genug war, damit man sie in der Menge verstehen konnte. »Vielleicht lehnt die Königin deinen Antrag ja ab, wenn sie herausfindet, dass du mich liebst!«
Kai zog die Augenbrauen noch höher. »Wie bit…?«
Neben ihm schnaufte der Berater, und in der unruhigen Menge wurde wieder getuschelt. Cinder bemerkte, dass die Musik wieder aufgehört hatte und die Musiker aufgestanden waren, um einen Blick auf sie zu erhaschen.
Ein heiteres Kichern beendete die peinliche Situation. Das Geräusch ließ Cinder erschaudern, auch wenn es glockenhell wie das Lachen eines Kindes klang.
Sie ließ von Kai ab und wandte sich langsam um. Auch die Menschenmenge drehte sich, gleichgetaktet wie Marionetten.
Und da stand Königin Levana.
Sie lehnte an einer der Säulen, die die Türen zum Garten flankierten. In der einen Hand hielt sie ein Glas mit goldenem Wein, die andere hatte sie an ihren lächelnden Mund gelegt. Ihre Gestalt war vollkommen. Ihre Haltung wäre genauso ruhig gewesen, wenn sie aus demselben Stein wie die Säule gemeißelt wäre. Sie trug ein königsblaues Kleid mit Sternenglanz wie auf einem Sommerhimmel, auch wenn es wohl Diamanten waren, die so schimmerten.
In Cinders Sichtfeld blinkte das orangefarbene Licht: der Zauber der Königin, die unendliche Lüge.
Neben der Königin stand einer ihrer Leibwächter in der Tür, dessen rotes Haar wie Feuer über seiner Stirn loderte. Ein Mann und eine Frau in den unverkennbaren Uniformen der königlichen Thaumaturgen hielten sich in der Nähe bereit und warteten auf die Befehle ihrer Herrin. Sie waren frappierend schön und im Gegensatz zur Königin schien ihre Schönheit keine Illusion zu sein. Cinder fragte sich, ob das eine Voraussetzung war, dem Königshof von Luna dienen zu dürfen – oder ob sie zufällig die einzige Lunarierin in der Galaxie war, die nicht mit strahlenden Augen und einem makellosen Teint geboren worden war.
»Rührend naiv«, sagte die Königin und lachte noch einmal. »Sie missverstehen meine Kultur. Wir auf Luna halten Monogamie für eine altmodische Sentimentalität. Was sollte es mir ausmachen, wenn mein zukünftiger Ehemann eine andere …« – sie machte eine Pause und musterte Cinders Kleid – »… Frau liebt?«
Entsetzen schnürte ihr die Kehle zu, als die Augen der Königin sie zu durchbohren schienen. Die Königin wusste, dass sie Lunarierin war. Sie konnte es erkennen.
»Was mich allerdings sehr stört«, fuhr Königin Levana fort, und ihre betörende Stimme wurde schrill, »ist, dass sich mein Verlobter in eine unbedeutende kleine Hülle verliebt zu haben scheint. Oder sollte ich mich da irren?«
Die Thaumaturgen nickten zustimmend, die Blicke auf Cinder geheftet. »Sie riecht jedenfalls wie eine«, bestätigte die Frau.
Cinder rümpfte die Nase. Laut Dr. Erland war sie keine Hülle, deswegen fragte sie sich, ob die Frau das nur sagte, um sich über sie lustig zu machen. Vielleicht roch sie auch das Benzin vom Auto.
Dann hatte ihr Netlink die Frau identifiziert, und Cinder vergaß die Beleidigung. Das war die Diplomatin, die sich seit Wochen in Neu-Peking aufhielt und deren Bild dauernd in den Nachrichten gezeigt wurde, auch wenn Cinder nicht weiter darauf geachtet hatte.
Sybil Mira, die Oberste Thaumaturgin der Königin von Luna.
Herrin Sybil hatte sie das Mädchen über den D-TELE-Chip genannt. Das war also die Frau, die sie dazu gezwungen hatte, die Spionage-Instrumente zu programmieren, und die Nainsi den Chip installiert hatte.
Cinder versuchte, sich nicht allzu sehr aufzuregen, und wunderte sich, dass ihr Steuerelement noch keinen Kurzschluss gehabt hatte bei all dem Adrenalin, das durch ihre Adern schoss. Sie hätte jetzt alles für eine Waffe gegeben, um sich zu verteidigen – aber sie hatte nur diesen nutzlosen Fuß und zarte silbrig weiße Handschuhe.
Kai ließ Cinder stehen und marschierte auf die Königin zu. »Eure Majestät, ich entschuldige mich für die Störung«, sagte er. Cinder hatte gerade rechtzeitig ihre Audio-Schnittstelle wieder hochgedreht, um die Worte zu verstehen. »Aber lasst uns vor meinen Gästen keine Szene machen.«
Königin Levanas Augen glühten wie Holzkohlen im warmen Licht des Ballsaals. »Wie es scheint, seid Ihr gar nicht auf meine Hilfe angewiesen, um eine Szene zu machen.« Sie machte einen Schmollmund. »Oje, mir scheint, dass mich Euer Wankelmut
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