Die Luna-Chroniken, Band 2: Wie Blut so rot (German Edition)
auch?«
Scarlet folgte ihm durch das hüfthohe Gestrüpp. »Ich hab gedacht, du nimmst mich auf den Arm. Meinst du wirklich, du kannst von da auf einen fahrenden Zug aufspringen?«
Er nickte.
»Ohne dir ein Bein zu brechen?«
»Oder mich sonst irgendwie zu verletzen.«
Er erwiderte ihren zweifelnden Blick mit einer Spur Arroganz.
Sie zuckte die Achseln. »Hauptsache, wir kommen aus diesem Wald raus.«
Der Felsvorsprung war vielleicht zwei Meter hoch, aber sie erkletterte ihn ohne Mühe, hielt sich an Wurzeln und Vorsprüngen fest. Hinter sich hörte sie ein halb unterdrücktes Stöhnen, und als sie sich umdrehte, sah sie in Wolfs schmerzverzerrtes Gesicht. Er versuchte sich hochzuhieven. Sie hielt die Luft an und fühlte sich schuldig, als er kurz darauf neben ihr stand und sich den Staub von den Händen klopfte.
»Lass mich mal sehen«, sagte sie, nahm Wolfs Arm und leuchtete mit dem Portscreen auf seinen Verband. Es sickerte kein Blut darunter hervor.
»Tut mir echt leid, dass ich auf dich geschossen habe.«
»Wirklich?«
Nachdem sie den Sitz des Verbandes kontrolliert hatte, ließ sie die Hand auf seinem Arm ruhen. »Was soll das heißen?«
»Ich habe inzwischen den Eindruck, dass du mich wieder anschießen würdest, wenn du meinst, es würde Michelle vielleicht helfen.«
Sie blinzelte zu ihm hoch, fast überrascht, wie nah sie einander waren. »Stimmt«, sagte sie. »Aber das heißt noch lange nicht, dass es mir danach nicht leidtun würde.«
»Ich bin nur froh, dass du meinen Rat in den Wind geschlagen und mir nicht gleich in den Kopf geschossen hast«, sagte er, ließ die Zähne im Licht des Portscreens aufblitzen und umfasste ihre Hüften kaum merklich. Sie zuckte zusammen.
Da ließ er die Hände sinken und kniff die Augen im blendenden Licht des Portscreens zusammen.
»Entschuldigung«, stammelte Scarlet und richtete den Lichtkegel auf den Boden.
Wolf trat auf den umgefallenen Baumstamm. »Scheint, als könnte man ihm trauen.«
Scarlet fiel die merkwürdige Wortwahl auf. »Wolf«, sagte sie und lauschte dem Nachhall ihrer Stimme. Er erstarrte, aber er drehte sich nicht um. »Als du mir das erste Mal davon erzählt hast, wie du das Rudel verlassen hast, dachte ich, das wäre schon Monate, vielleicht Jahre her, aber bei Ran hörte es sich so an, als wärst du gerade erst weggegangen.«
Er raufte sich die Haare.
»Wolf?«
»Es ist drei Wochen her«, flüsterte er. »Noch nicht mal.«
Sie holte tief Luft. »Als meine Großmutter verschwunden ist.«
Er zog den Kopf ein, als traute er sich nicht, ihr in die Augen zu sehen.
Scarlet fröstelte. »Du hast mir gesagt, du wärst ein Nichts gewesen, kaum mehr als ein Botenjunge. Aber Ran hat dich Alpha genannt. Ist das nicht ein ziemlich hoher Rang?«
Sie sah, wie sich seine Brust langsam hob.
»Und nun erklärst du mir, du hast die Gang um die Zeit herum verlassen, als sie meine Großmutter gekidnappt haben.«
Geistesabwesend strich er mit dem Daumen über das Tattoo, gab ihr aber keine Antwort. Scarlet wartete und ihr Blut begann zu kochen, bis er es endlich über sich brachte, ihr in die Augen zu sehen.
Im bläulichen Licht des Portscreens konnte sie seinen Gesichtsausdruck nicht erkennen. Nur das Profil seiner Wangenknochen und seines Kinns zeichnete sich vor dem Dunkel ab und der Umriss seiner Haare, die wie Piniennadeln von seiner Kopfhaut abstanden.
»Du hast gesagt, du wüsstest nicht, warum sie Michelle mitgenommen haben. Aber das war gelogen, stimmt’s?«
»Scarlet …«
»Was ist nun eigentlich wahr? Hast du dich wirklich von diesen Leuten getrennt oder ist das nur eine Geschichte, um mich …« Sie stolperte ein paar Schritte rückwärts. Ihr schwirrte der Kopf von all den Zweifeln und Fragen, die sich ihr aufdrängten. »Bin ich der Auftrag, über den Ran gesprochen hat? Der, der angeblich abgeblasen wurde?«
»Nein.«
»Mein Vater hat mich gewarnt. Er hat mir gesagt, einer von euch würde mich holen kommen. Und schon warst du da. Dabei wusste ich ja sogar, dass du einer von ihnen bist. Ich wusste, dass ich dir nicht vertrauen konnte, und habe es trotzdem getan …«
»Scarlet, hör auf.«
Sie wickelte die Bänder der Kapuze um die Hand und zog sie straff. Das Blut pulsierte.
Wolf holte tief Luft, dann breitete er die Hände aus. »Du hast Recht, ich habe dich angelogen. Ich weiß, warum sie Michelle mitgenommen haben. Aber du bist nicht der Auftrag, von dem Ran gesprochen hat.«
Sie hielt den Port so, dass sie Wolf
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