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Die Lust des Bösen

Die Lust des Bösen

Titel: Die Lust des Bösen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cassandra Negra
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aber das hier war anderes. Eher wie ein richtig gutes Hard-Rock-Konzert.

    Es dauerte nicht lange, und er rutschte immer mehr in die rechte Szene. Während seiner Ausbildungszeit hörte er nicht nur extremen rechten Rock wie die »Landser«, sondern las auch mit wachsender Begeisterung einschlägige Werke. Hitlers »Mein Kampf« studierte er mindestens dreimal, bis er einige der zentralen Passagen auswendig rezitieren konnte. Er wollte weg vom Mitläufertum in der rechten Szene. Das reichte ihm nicht mehr.
    War es in den Anfängen noch das Zuhause, was er suchte, wurde es jetzt mehr und mehr zu einer Vision. Er wollte selbst politische Arbeit leisten, wollte selbst bestimmen, wohin der Kurs der Gruppe ging und was getan werden sollte.
    »Es kann nur einer befehlen«, hatte Hitler einmal gesagt. »Einer befiehlt, und die anderen müssen gehorchen.« Und wenn ihn jemand nach dem Wieso fragte, hatte der Führer geantwortet: »Wieso?! Weil nur auf dem Weg etwas zu erreichen ist, und weil wir Männer genug sind einzusehen, dass das, was notwendig ist, auch zu geschehen hat. Und weil darum nicht mit dem Einzelnen diskutiert wird. Es ist ganz zwecklos, jedem Einzelnen dann zu sagen: ›Ja, wenn er natürlich nicht will, dann braucht er natürlich nicht nachfolgen.‹ Nein, so geht das nun einfach nicht! Die Vernunft hat auch ein Recht und damit eine Pflicht; sie hat das Recht, sich zur diktatorischen Gewalt zu erheben, und die Pflicht, die anderen zu zwingen, dem zu gehorchen.«
    Diese Worte hatten Malte beeindruckt. Er wollte Menschen dazu bringen, Befehle auszuführen und zu gehorchen. Das konnte er, denn trotz seiner zurückhaltenden Natur hatte er, so schien es, das gewisse Etwas, das er ausstrahlte und das man für eine »Führungspersönlichkeit« wohl brauchte.
    Malte war charismatisch genug, um innerhalb kurzer Zeit einen Kreis Gleichgesinnter um sich zu scharen. Aber so gewinnend und charmant er sein konnte, so brutal und unnachgiebig verfolgte er auch seine Ideale und Ziele – um jeden Preis.
    Thomas und die anderen armen, langweiligen Hooligans waren Schnee von gestern. Malte und die »Black Brothers«, wie er seine neue Gruppe nannte, das war die Zukunft. Der harte Kern bestand aus acht gleichgesinnten jungen Männern von Anfang bis Mitte zwanzig. Und da sie eine verschworene Gemeinschaft waren, konnte nicht einfach jeder Mitglied werden, der Lust dazu hatte. Nein, so leicht war das nicht, denn Weicheier wollten sie auf keinen Fall.
    Malte führte eine Art Mutprobe als Aufnahmeritual für Neumitglieder ein. Sie mussten Ausländer beschimpfen, aber auch offene Gewalt gehörte dazu. Malte gab vor, was der Neue zu machen hatte, und der wiederum hatte ihm zu gehorchen und seine Befehle auszuführen.
    Ein cooles Spiel war es, das er sich da auf eigenwillige, teuflische Weise ausgedacht hatte. Was er suchte, waren schließlich willfährige Helfer und keine eigenständig denkenden Menschen.
    Regelmäßig nahm die Gruppe um den »General«, wie er sich fortan nannte, dann an Demos teil, traf sich in Kneipen oder auf Konzerten und hörte gemeinsam zu Hause Musik. Insbesondere die Band »Landser« hatte es Malte angetan, und der Sänger der Band wurde für ihn so etwas wie ein Vorbild. Malte hörte die CDs so häufig, dass er die Texte wie »Irgendwer wollte den Niggern erzählen, sie hätten hier das freie Recht zu wählen. Das haben sie auch, Strick um den Hals oder Kugel im Bauch« auswendig kannte.
    Er ließ sich den Kopf kahl scheren und kaufte sich Sprin gerstiefel. Im Internet bestellte er T-Shirts aus Amerika mit SS-Runen, Hakenkreuzfahnen und Nazi-Emblemen.
    Aber bei seinen Recherchen hatte Malte schnell begriffen, dass es zwar die Identifikationssymbole gibt, die in der Szene gerne verwendet wurden, dass die moderne neonazistische Szene jedoch auch ohne strikten hierarchischen Aufbau funktionierte, ohne Uniformität, ohne stilistische und ästhetische Eindeutigkeit. Das Moderne, so sah es Malte, würde vor allem darin bestehen, dass es gelänge, die »alten Ideen« an die Bedürfnisse und Lebensrealitäten der Jugend anzupassen. Und dazu brauchte man neue Kommunikationsmittel, um sich mitzuteilen. Strukturen, die integrativ und tagespolitisch handlungstauglich waren, die Soziales, Kulturelles und Politisches zu einem geschlossenen Komplex verbanden.
    Genau das wollte er umsetzen. Er richtete eine eigene Internetplattform ein, über die er wichtige Kontakte knüpfen konnte, nicht nur bundesweit, sondern auch in

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