Die Lust des Bösen
ganz Europa. Aber viel entscheidender war, dass die »Black Brothers« nun über eine Plattform verfügten, auf der sie ihr Gedankengut und später Gewaltvideos ihrer »Feldzüge« und ihrer »Aufnahmerituale« verbreiten konnten.
Seine Eltern waren entsetzt, erteilten seinen neuen Freunden Hausverbot, warfen seine Nazi-T-Shirts in den Müll und hofften auf ein schnelles Ende. Das kam aber nicht … Ganz im Gegenteil.
Gemeinsam mit seinem neuen »Weggefährten« Gabriel gründete Malte stattdessen einen Sicherheitsdienst und ein Tattoo-Studio. Das sollte ihm Unabhängigkeit von seinen Eltern bringen und nach außen die nötige Tarnung geben – schließlich wollte er sich ein gesellschaftsfähiges Image verschaffen. Aber in Wirklichkeit half es ihm, seine Ideologien zu verbreiten und Anhänger zu finden.
Es dauerte nicht lange, und der »General« erhielt unter seinen Gefolgsleuten und vor allem unter seinen Gegnern den neuen Spitznamen »der Schlitzer«, weil er nun mal gern ritzte.
Begonnen hatte alles damit, dass er im Alter von vierzehn Jahren einmal auf einem der Bauernhöfe in seiner Gegend eine Schlachtung beobachtet hatte. Wie so oft hatte er sich einfach aus dem Haus geschlichen und war durch die Straßen und Felder gestreunt, auf der Suche nach etwas Spannendem, etwas Neuem, etwas, das ihn aus diesem langweiligen Dasein riss. Und dann hatte er den Schlachthof entdeckt.
Er schaute hinein und sah, wie einige Tiere gerade ausgenommen wurden. Etwas weiter entfernt schrien einige Schweine. Man nahm ein ohrenbetäubendes Metallgeklapper des Geländers wahr und das Schreien der Treiber, die die kreischenden Tiere mit ihren Schlagstöcken in den Treibgang-Gittern scheppernd vorwärtstrieben. Die armen Kreaturen drängten sich dicht hintereinander, um den Schlägen und Elektroschocks zu entkommen – vergeblich. Malte hörte Maschinen, die scheinbar ohne Unterlass den Tod brachten. Ein widerlicher, süßlicher Gestank von totem Fleisch und verbrannten Haaren lag in der feuchtwarmen Luft, sodass einem der Atem stockte.
Malte lief weiter den Gang hinein und sah eine weiße, blutbespritzte Kachelwand, und wieder sog er den Geruch von totem Fleisch ein. Er musste zugeben: Das Töten und Ausnehmen der Tiere – vor allem der Schweine – faszinierte ihn und ließ ihn nicht mehr los.
Immer öfter legte er einen Stopp beim Schlachthof ein und schaute den Schlächtern bei ihrer Arbeit zu. Später machte er Jagd auf Schafe, deren Kehlen er auf der Weide durchschnitt und deren Leiber er dort einfach verbluten ließ. Doch beließ er es nicht bei den Schafen. Bald tötete er auch Kühe und Schweine. Manchmal weidete er sie auch aus. Anfangs bekam er noch Schweißausbrüche und empfand ein ihm bis dahin fremdes, eigenartiges Kribbeln in der Magengegend und auf der Brust, das mit immer stärker werdenden Adrenalinschüben verbunden war. Dann verlagerte sich seine »Schlitz-Sucht« in Wut und Aggressionen.
Inzwischen hatte er sich selbst einen Bauernhof zugelegt, und es dauerte nicht lange, bis er die ersten Feten mit seiner neuen Gruppe veranstaltete. Im Keller seines Hofes befand sich ein eigens dafür eingerichteter Partyraum, die sogenannte »Kammer«. Ein ziemlich düsterer Ort mit holzgetäfelten Wänden, an denen einige Fotos von Hitler aus seinen »guten Zeiten« und jede Menge Organisationssymbole der Nazis prangten. Vermutlich hatte die »Kammer« aber ihren Namen von den Brauseköpfen, die hier eingelassen waren. So verhöhnten und entwürdigten sie die Millionen Juden, die in den Gaskammern der Nazis einen elenden, langsamen Tod gestorben waren, posthum noch ein weiteres Mal.
In der Mitte des Raumes stand ein riesiges Keltenkreuz aus Holz, auch »Heidenkreuz« genannt – ein Sinnbild rechtsextremer Skinheads und Symbol für das gemeinsame kulturelle Erbe der nordischen weißen Rasse. Später benutzten sie dieses Keltenkreuz dann auch bei einigen »Gangbang-Partys« als »Lust- und Schmerzobjekt« für die weiblichen Protagonisten. Bei diesen Zeremonien fesselten, erniedrigten und vergewaltigten sie Frauen. Ihre »Opfer« suchten sie sich meist aus dem wachsenden Kreis ihrer weiblichen Anhänger.
Waren es für die männlichen Neulinge die Mutproben, so mussten die weiblichen Anhänger dieses Ritual durchlaufen, wenn sie in den »heiligen Kreis« der Black Brothers aufgenommen werden wollten.
M i t ihren fünfundzwanzig Jahren war Anna eine offene junge Frau mit einem gewinnenden Lächeln. Ihre weißblonden,
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