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Die Lutherverschwörung

Die Lutherverschwörung

Titel: Die Lutherverschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Born
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schwieriger als das, was mein Vater macht.« Sie schien ihn wirklich zu bewundern und ließ ihn keinen Moment aus den Augen.
    »Schaust du deinem Vater bei der Arbeit zu?«
    »Nein, das darf ich nicht. Aber ich weiß trotzdem, was er macht. Ich habe ihm zugeschaut, wenn er Hühnern und Gänsen mit dem Beil den Kopf abschlägt. Aber das kann doch jeder, oder? Außerdem ist es ekelhaft.«
    Wulf musste lachen, aber das war dumm von ihm, denn je länger sie redeten, desto schwerer würde es ihm fallen. »Weißt du, ein Henker hat es nicht leicht, das ist ein undankbarer Beruf.«
    »Wie meinst du das?«
    Er schwieg.
    »Jetzt sag schon!«
    Wenn sie sich ein wenig ärgerte, zog sie die mit Sommersprossen betupfte Nase kraus und zwischen den Augenbrauen richteten sich Falten auf. Er bemerkte, wie hell und empfindlich ihre Haut war. Warum ließ er sich auf dieses Gespräch ein, das schuf so eine verdammte Vertrautheit.
    »Es ist so: Ein Henker darf sich keinen Fehler erlauben. Wenn er sein Opfer mit dem Schwert töten soll und das gelingt ihm nicht beim ersten Schlag, kann es passieren, dass er selbst auf dem Richtblock landet.«
    »Mit so einem großen Schwert!«, rief sie. »Also, wer da nicht trifft!«
    Wulf musste erneut lachen und diesmal lachte sie mit. Sie strahlte über das ganze Gesicht, und das war zu viel; er wandte den Kopf zur Seite – und musste doch wieder hinschauen. Ihr Lächeln brach ihm das Herz: Er konnte sie nicht töten, ihr nicht einmal ein Haar krümmen. Wenn nötig, hätte er sie sogar verteidigt.
    Warum sollte die Kleine ihm gefährlich werden? Was hatte sie schon gesehen? Sie würde zu ihrem Vater laufen und ihm erzählen, dass sie einen kleinen Mann gesehen habe, der mit einer Armbrust auf die Vogelscheuche geschossen und sie aus unglaublicher Entfernung genau getroffen hatte. Und der Vater würde denken: Einer von den vielen Fremden, die sich zurzeit in der Stadt herumtreiben, vielleicht ein Söldner oder der Leibwächter eines Fürsten, er kann gut mit der Armbrust umgehen und hat Schießübungen gemacht. Er würde der Sache keine Bedeutung beimessen und sie im nächsten Moment vergessen.
    War es wirklich so einfach? Wulf sammelte seine Sachen ein und vergaß den zuletzt verschossenen Bolzen nicht. »Hast du Geschwister, Maria?«
    »Drei Brüder.«
    »Und wie heißen die?«
    »Sebastian, Georg und Thomas.«
    »Bist du die Jüngste?«
    »Leider.«
    »Wieso leider? Ärgern sie dich?«
    »Georg und Thomas ärgern mich, aber Sebastian beschützt mich.«
    Er wickelte den Stoff um die Armbrust und verstaute sie im Sack. »Ich glaube, du kannst dich ganz gut wehren.«
    »Schon, aber im Moment sind die Blödmänner noch zu stark.«
    In den Bäumen tobten die Vögel, es war wirklich ein herrlicher, fast paradiesischer Frühlingstag. Wulf schaute über den Fluss, dort hinten ballten sich dunkle Wolken, eilten heran, als schiebe eine Riesenhand sie vor sich her. Er blickte auf ein Gebäude am linken Stadtrand.
    »Das ist Sankt Cäcilien«, sagte das Mädchen, das seinen Blick bemerkte.
    Wulf schulterte den Sack, vielleicht war dieser verdammte Frühling Schuld und die vielen Vögel. Er legte seine Hand an ihre Wange.
    »Leb wohl!«, sagte er. »Du bist ein kluges Mädchen.« Dann ging er davon.

KAPITEL 33
    Alle rechneten für den nächsten Tag mit Luthers Vorladung. Jost fühlte sich ohnmächtig und niedergeschlagen. Man würde Luther zum Tod verurteilen, daran zweifelte er nicht, alles andere käme einem Wunder gleich. Was für eine Rolle spielte es da noch, ob er Wulf Kramer fand? Seine Leute hatten die Stadt durchkämmt, sie hatten in den Herbergen nachgefragt – erfolglos! Er hatte damals nicht verhindern können, dass der alte Brangenberg starb, und er würde auch jetzt Luthers Tod nicht verhindern können. Sein ganzes Tun und sein bisheriges Leben kamen ihm sinnlos vor. Am liebsten hätte er alles hingeworfen.
    Es war später Nachmittag. Im Johanniterhof herrschte, wie immer seit Luthers Ankunft, ständiges Kommen und Gehen, denn viele seiner Bewunderer wollten ihn sehen und sprechen. Ein neuer Messias war er nicht, fand Jost, aber auch an Luther schieden sich die Geister: Entweder war man für ihn oder gegen ihn. Vielleicht faszinierte gerade das die Menschen, dass es in Bezug auf diesen Mann keine halben Sachen gab.
    Grafen, Freiherren und Ritter machten ihre Aufwartung, Adlige, Geistliche, Humanisten und Abgeordnete der Städte. Jost hatte kein gutes Gefühl angesichts der vielen Gäste;

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