Die Lutherverschwörung
Spitzfindigkeiten einließ, blieb jedoch unklar.
Jost sandte einen der beiden Männer los, alle verfügbaren Kameraden zusammenzutrommeln und in voller Bewaffnung beim Johanniterhof zu versammeln.
»Wer sind die Leute, die unten mit Frundsberg warten?«, fragte Jost den verbliebenen Türwächter.
»Als Nächster ist Conrad Peutinger an der Reihe; er hat sich als Augsburger Stadtschreiber vorgestellt und Schürf hat ihn als Sprachrohr irgendeines Kerls aus Rotterdam bezeichnet.«
»Du meinst Erasmus von Rotterdam.«
»Genau, das war der Name.«
Das sei der berühmteste Gelehrte der Gegenwart, erklärte Jost und nannte seinen Kameraden ein ungebildetes Rindvieh.
Die Tür zu Luthers Stube öffnete sich. Hieronymus Schürf trat heraus und verabschiedete sich. »Hinhalten«, sagte er noch, über die Schulter gewandt. »Denkt immer daran: Hinhalten!«
»Ist gut«, sagte Luther, »gehabt Euch wohl.« Als er Schürf außer Hörweite glaubte, brummte er: »Es gibt nichts Schlimmeres auf der Welt als Juristen! – Wer ist der Nächste?«
»Conrad Peutinger.«
»Herr, gib mir Geduld!« Luther legte die rechte Hand an die Stirn.
»Was will dieser Mann von dir?«, fragte Jost.
»Er wird mir gleich in aller Länge und Breite die Position von Erasmus vortragen«, erwiderte Luther. »Wohlgemerkt: Nicht, dass ich etwas gegen Erasmus hätte, lange Jahre habe ich ihn bewundert und seine Edition des griechisch-lateinischen Neuen Testaments ist von unschätzbarem Wert. Er ist auch kein Papist, denn er hat gelegentlich auf Fehler der päpstlichen Theologen und Diplomaten hingewiesen, wenn auch moderat. Aber letztlich vermisse ich bei ihm die Eindeutigkeit: Er will immer ausgleichen und vermitteln, doch wenn ich etwas als falsch erkenne, dann sage ich das auch. Punktum. Da gibt es keine faulen Kompromisse.«
Er werde diesen Peutinger hinaufschicken, sagte Jost und befahl seinem Kameraden, ihn nach Waffen zu durchsuchen, bevor er Luthers Stube betrete. Luther lehnte das entschieden ab, Peutinger sei ein Ehrenmann, das käme einer groben Beleidigung gleich – er übernehme die volle Verantwortung.
Jost schüttelte den Kopf, ging die Treppe hinunter und schickte Peutinger hinauf zu Luther. Er nutzte die Gelegenheit zu einem weiteren Gespräch mit Frundsberg, bis dieser an der Reihe war. Draußen versammelte sich Josts Truppe, nach und nach kamen etwa zwanzig Mann zusammen. Er unterrichtete sie über die Neuigkeiten und erteilte ihnen Anweisungen; so verging die Zeit, bis es schließlich dunkel wurde.
Die Gruppe der auf Luther Wartenden verkleinerte sich nicht, weil immer Neue hinzukamen. Dann erschien Anna bei der Tür zur Vorhalle und winkte Jost zu sich. Sie traten ins Freie.
»Das Treffen findet im Dom statt«, sagte sie, ziemlich außer Atem. Offenbar war sie gerannt.
»Wann?«
»Wahrscheinlich sind sie schon dort.«
»Brangenberg persönlich?«
»Nein, ein Vertrauter von ihm.«
Jost legte Daumen und Zeigefinger an die Lippen und stieß einen lauten Pfiff aus, die Söldner eilten herbei.
»Zum Dom!«, rief er, und schon rannten sie los, Anna mittendrin.
KAPITEL 34
Sein Schlaf war oberflächlich und unruhig. Die Geräusche im Haus und der Lärm vom Domplatz blieben unterschwellig immer präsent. Er hatte den Fensterladen nur halb geschlossen, und jedes Mal, wenn er sich auf seinem harten Lager auf die andere Seite drehte, öffnete er kurz die Augen, um zu sehen, ob es schon Abend sei. Als es zu dämmern begann, schlug er die raue, löchrige Decke zur Seite und stand auf. Vielleicht, überlegte er, wäre es besser gewesen, überhaupt nicht zu schlafen, denn er fühlte sich wie gerädert.
In etwa einer Stunde musste Wulf im Dom sein, um sich mit Brangenberg selbst oder einem Emissär zu treffen. Er hatte sich für diesen Treffpunkt entschieden, weil der Dom ein öffentlicher Ort war, an dem man ihm höchstwahrscheinlich keine Falle stellen konnte. Zugleich war er groß genug, um in einer Nische ein vertrauliches Gespräch zu führen. Wulf war entschlossen, nicht mit sich handeln zu lassen. Er würde die Bedingungen stellen. Morgen fand die Verhandlung vor dem Kaiser statt, aber er würde Luther töten, bevor es dazu kam, und dann aus der Stadt verschwinden.
Die Hälfte seines Lohnes hatte er bereits bekommen, die andere Hälfte war nach getaner Arbeit fällig. Also mussten Brangenberg und er einen Treffpunkt außerhalb der Stadt ausmachen. Möglicherweise würde Brangenberg behaupten, er könne den Betrag so
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