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Die MacGregors 05 - Stunde des Schicksals

Die MacGregors 05 - Stunde des Schicksals

Titel: Die MacGregors 05 - Stunde des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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möglich zu schließen. Sie legte die Zeitschriften ab und nahm die Krankenkarte zur Hand, die am Fußende des Bettes hing.
    Wie Kellerman gesagt hatte, Mrs. Higgs’ Zustand war stabil. Nicht besser, nicht schlechter, gleich geblieben, seit sie vor einer Woche eingeliefert worden war. Der Blutdruck war zu niedrig, und sie konnte keine feste Nahrung bei sich behalten, aber sie hatte eine ruhige Nacht verbracht. Zufriedengestellt ging Anna ans Fenster, um die Jalousien zu schließen.
    »Nein, Kindchen, ich mag die Sonne.«
    Anna drehte sich zum Bett um. Mrs. Higgs lächelte ihr zu. »Tut mir leid. Habe ich Sie geweckt?«
    »Nein, ich habe nur ein wenig geträumt.« Die Schmerzen waren immer da. Trotzdem lächelte sie und streckte die Hand nach Anna aus. »Ich hatte gehofft, dass Sie heute zu mir kommen würden.«
    »Oh, das musste ich doch.« Anna setzte sich auf den Stuhl neben dem Bett. »Ich habe Ihnen eine Modezeitschrift meiner Mutter mitgebracht. Sie glauben ja nicht, was Paris sich als neue Herbstmode vorstellt.«
    Mrs. Higgs lachte und stellte das Radio aus. »Die Zwanzigerjahre werden sie niemals erreichen. Da war Mode noch etwas Aufsehenerregendes. Natürlich brauchte damals jeder, der mit der Mode gehen wollte, tolle Beine und großen Mut.« Sie zwinkerte Anna zu. »Ich hatte beides.«
    »Das haben Sie immer noch.«
    »Den Mut vielleicht, aber nicht die Beine.« Seufzend drehte Mrs. Higgs sich auf die Seite. Sofort stand Anna auf, um ihr das Kissen zurechtzurücken. »Ich sehne mich nach meiner Jugend zurück, Anna.«
    »Ich dagegen wäre gern älter.«
    Mrs. Higgs ließ sich schwach gegen die Kissen zurücksinken und sah zu, wie Anna die Bettdecke zurechtzog. »Sie sollten nicht so leichtfertig Ihre Lebensjahre wegwünschen.«
    »Nicht Jahre.« Anna ließ sich auf die Bettkante nieder. »Nur dieses eine nächste.«
    »Keine Sorge, Anna. Sie schaffen Ihr Examen schon. Und danach werden Sie sich nach der Zeit davor zurücksehnen. Die ganze Arbeit, die Sie gemacht haben, das Lernen und die Verwirrung wird Ihnen fehlen, glauben Sie mir.«
    »Vielleicht haben Sie recht.« Behutsam nahm Anna ihr Handgelenk und maß den Puls. »Aber im Moment kann ich an nichts anderes denken, als diesen Sommer hinter mich zu bringen und wieder richtig anzufangen.«
    »Die Jugend ist wie ein wunderbares Geschenk, mit dem man nichts so recht anzufangen weiß, wenn man jung ist. Kennen Sie die hübsche Schwester, die hochgewachsene mit dem roten Haar?«
    Reedy, dachte Anna und ließ Mrs. Higgs’ Handgelenk los. Aus dem Krankenblatt war ersichtlich, dass sie erst in einer Stunde ihre Medikamente bekam. »Ja.«
    »Sie hat mir heute Morgen geholfen. So ein süßes Ding. Sie wird bald heiraten und erzählt mir immer von ihrem Liebsten. Sie tun das nie.«
    »Was tue ich nie?«
    »Sie erzählen mir nie von Ihrem Freund.«
    Die Blumen neben dem Bett sahen ein wenig welk aus. Anna arrangierte sie in der Vase und schob sie zusammen. Sie wusste, dass eine der Schwestern sie dorthin gestellt haben musste, denn Mrs. Higgs hatte keine Angehörigen. »Ich habe keinen.«
    »Oh, das glaube ich nicht. Eine so hübsche junge Frau wie Sie muss doch jede Menge Verehrer haben.«
    »Die stören mich nur und halten mich vom Examen ab, wenn sie vor meiner Tür Schlange stehen«, sagte Anna und lächelte, als Mrs. Higgs schmunzelte.
    »Das kann ich mir durchaus vorstellen. Ich war erst fünfundzwanzig, als ich meinen Mann verlor. Ich dachte, ich würde nie wieder heiraten. Aber natürlich hatte ich Verehrer.« Verträumt und etwas wehmütig schaute Mrs. Higgs zur Decke. »Ich könnte Ihnen ziemlich schockierende Geschichten erzählen.«
    Lachend warf Anna ihr Haar zurück. Das Sonnenlicht traf kurz ihre Augen, machte sie tiefer, wärmer. »Ich bin nicht so leicht zu schockieren, Mrs. Higgs.«
    »Ich fürchte, ich war ein schrecklich kokettes Früchtchen. Aber ich habe so gern geflirtet und hatte so viel Spaß dabei. Und jetzt …«
    »Was jetzt, Mrs. Higgs?«
    »Jetzt tut es mir leid, dass ich keinen von ihnen geheiratet habe. Dann hätte ich jetzt Kinder. Jemanden, dem ich wichtig bin und der sich an mich erinnert.«
    »Sie haben doch jemanden, dem Sie wichtig sind.« Anna griff nach der Hand der alten Dame. »Mich.«
    Nein, sie würde sich nicht dem Schmerz ergeben, auch nicht dem Selbstmitleid. Dankbar drückte Mrs. Higgs Annas Hand. »Aber es muss doch einen Mann in Ihrem Leben geben. Einen ganz besonderen Mann.«
    »Keinen besonderen«, entgegnete

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