Die MacGregors 05 - Stunde des Schicksals
das Glas. Hätte Daniel nicht in genau dem Moment auf seinen Teller gesehen, wäre es ihm entgangen und der edle Burgunder auf seine Hose geschwappt. So griff er rasch zu, und das halbe Glas ergoss sich auf die Tischdecke. Er hörte, wie Anna unter angehaltenem Atem etwas wenig Damenhaftes von sich gab, und unterdrückte nur mit Mühe ein triumphierendes Lachen.
»Wie ungeschickt von mir.« Er warf der Gastgeberin einen entschuldigenden Blick zu. »Ich habe so große Hände«, erklärte er und strich mit einer davon über Annas Bein. Er war sich nicht sicher, aber er glaubte zu hören, wie sie mit den Zähnen knirschte.
»Das macht doch nichts.« Mrs. Ditmeyer betrachtete den Schaden und beschloss, dass es schlimmer hätte kommen können. »Dazu sind Tischdecken ja da. Sie haben doch hoffentlich nichts abbekommen?«
Daniel strahlte erst sie, dann Anna an. »Keinen Tropfen.« Als das Tischgespräch wieder einsetzte, beugte er sich zu Anna. »Bewundernswert und sehr schnell«, flüsterte er. »Ich finde dich immer aufregender.«
»Du hättest dich noch mehr aufgeregt, wenn ich dich getroffen hätte.«
Er hob sein Glas und berührte ihres damit. »Was glaubst du, wie würde unsere Gastgeberin reagieren, wenn ich dich hier und jetzt küssen würde?«
Anna nahm ihr Messer und studierte ausgiebig das Design. Dann warf sie Daniel einen eisigen Blick zu. »Ich weiß, wie ich reagieren würde.«
Dieses Mal lachte er, laut und ausgiebig. »Verdammt, Anna, du bist die Einzige für mich«, sagte er, ohne die Stimme zu senken, und jeder am Tisch hörte es. »Aber ich werde dich jetzt nicht küssen. Schließlich möchte ich nicht, dass du deine erste Operation an mir vornimmst.«
Nach dem Essen wurde im Salon Bridge gespielt. Obwohl Anna dieses Kartenspiel langweilig fand, überlegte sie, ob sie nicht daran teilnehmen sollte, um sich abzulenken und Daniel zu entkommen. Doch bevor sie sich melden konnte, zog ein halbes Dutzend junger Gäste sie mit nach draußen.
Noch immer drohte ein Gewitter, der Mond war hinter Wolken verborgen, aber die Luft war frischer. Der zunehmende Wind ließ Annas Rock flattern. Diskret verteilte Lampen tauchten die Bäume und den ganzen Garten in mildes Licht. Im Haus hatte jemand das Radio eingeschaltet, und die Musik drang durch die geöffneten Fenster ins Freie. Die kleine Gruppe wanderte ziellos über den Rasen, bis die ersten Paare sich absetzten.
»Kennst du dich mit Gärten aus?«, fragte Daniel, als auch sie allein waren.
Sie hatte nicht erwartet, ihn so einfach loszuwerden. Achselzuckend fügte sie sich in ihr Schicksal, achtete jedoch darauf, in Sichtweite einiger Freunde zu bleiben. »Ein wenig.«
»Steven ist ein guter Chauffeur, aber kein sehr einfallsreicher Gärtner. Ich habe mir meinen Garten etwas …«
»Auffälliger vorgestellt?«, unterbrach sie ihn.
Das Wort gefiel ihm. »Aye. Auffälliger, farbenfroher. In Schottland hatten wir Heidekraut und die wilden Rosen. Nicht die zahme Sorte, die man im Geschäft kauft, sondern die mit fingerdicken Stielen und Dornen, an denen man sich ernsthaft verletzen kann.« Er ignorierte Annas Kopfschütteln, pflückte eine Blüte und steckte sie hinter ihr Ohr. »Zarte Blumen sind nett anzusehen, im Haar einer Frau zum Beispiel, aber wilde Rosen … sind zäh und langlebig.«
Sie hatte längst vergessen, dass sie nicht mit ihm allein sein wollte, hatte vergessen, in der Nähe ihrer Freunde zu bleiben. Sie fragte sich, wie eine wilde Rose wohl duftete und ob ein Mann wie Daniel sie zurückschneiden oder wuchern lassen würde. »Vermisst du Schottland?«
Er sah sie stumm an, für einen Moment in seine Erinnerungen versunken. »Manchmal. Wenn ich nicht zu beschäftigt bin. Die Klippen und die See und das Gras, das viel grüner ist als anderswo.«
Die Wehmut, die in seinen Worten lag, war unüberhörbar. Sie hätte nicht gedacht, dass man einem Land nachtrauern könnte, nur Menschen. »Wirst du dorthin zurückkehren?« Sie musste es wissen und hatte Angst vor seiner Antwort.
Er schaute zur Seite. In diesem Moment zuckte ein Blitz durch die Nacht und erhellte sein Gesicht. Ihr Herz begann wild zu schlagen. Im grellen Licht sah sein Profil einen Augenblick lang so aus, wie sie sich Thor immer vorgestellt hatte. Verwegen, rücksichtslos, unbesiegbar. Als er sprach, war seine Stimme leise. Es hätte sie beruhigen sollen, doch stattdessen wuchs ihre Erregung noch. »Nein. Ein Mann muss sich zur rechten Zeit eine eigene Heimat suchen.«
Sie
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