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Die MacGregors 05 - Stunde des Schicksals

Die MacGregors 05 - Stunde des Schicksals

Titel: Die MacGregors 05 - Stunde des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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»Bleiben Sie noch ein Weilchen bei mir.«
    »Natürlich.«
    Anna saß in dem abgedunkelten Zimmer, die schmale Hand der Sterbenden in ihrer, und lauschte dem schwächer werdenden Atem. Als es vorbei war, stand sie leise auf und küsste Mrs. Higgs auf die Stirn. »Ich werde Sie nie vergessen.«
    Ruhig und beherrscht ging sie über den Korridor zu Mrs. Kellerman. Die Oberschwester war gerade mit fünf Neuaufnahmen beschäftigt und warf ihr einen kurzen Blick zu. »Wir sind im Moment ein wenig unter Druck, Miss Whitfield.«
    Sie stand sehr gerade. Als sie sprach, klangen sowohl Autorität als auch Geduld in ihrer Stimme mit. »Schicken Sie einen Arzt zu Mrs. Higgs.«
    Sofort stand Mrs. Kellerman auf. »Hat sie Schmerzen?«
    »Nein.« Anna verschränkte die Hände. »Nicht mehr.«
    Mrs. Kellerman verstand sofort, und ein Anflug von Trauer trat in ihre Augen. »Danke, Miss Whitfield. Schwester Bates, rufen Sie Doktor Liederman. 521.« Ohne eine Antwort abzuwarten, eilte sie selbst den Korridor hinunter. Anna folgte ihr und wartete in der Tür zu Mrs. Higgs’ Zimmer. Die Oberschwester drehte sich zu ihr um. »Miss Whitfield, Sie brauchen nicht zu bleiben.«
    Entschlossen hielt Anna den Blick auf die Oberschwester gerichtet. »Mrs. Higgs hatte niemanden.«
    Mitgefühl lag in Mrs. Kellermans Blick und zum ersten Mal auch Respekt. Sie kam von dem Bett zu Anna und legte ihr eine Hand auf den Arm. »Bitte warten Sie draußen. Ich sage dem Doktor, dass Sie mit ihm sprechen möchten.«
    »Danke.« Langsam ging Anna zum Warteraum und setzte sich. Mit jeder Minute, die verging, wurde sie ruhiger. So etwas würde sie als Ärztin Tag für Tag erleben, für den Rest ihres Lebens. Dies war das erste, aber nicht das letzte Mal. Der Tod würde zu ihrem Leben gehören. Sie würde ihn mit allen Mitteln bekämpfen, aber auch akzeptieren müssen, wenn sie verlor. Und sie würde lernen müssen, sich dagegen zu wappnen. Damit würde sie jetzt sofort anfangen.
    Anna holte tief Luft und schloss die Augen. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie Daniel auf sich zukommen.
    Für einen Moment wich jeder Gedanke aus ihrem Kopf. Dann sah sie die Rosen in seiner Hand, und sie spürte, wie ihr die Tränen kamen. Sie verdrängte sie, und als sie aufstand, zitterten ihre Beine nicht.
    »Ich dachte mir, dass ich dich hier finde.« Alles an ihm wirkte aggressiv, sein Gang, sein Gesicht, selbst seine Stimme. Nur einen flüchtigen Moment wünschte sie, sich den Luxus erlauben zu können, sich in seine Arme zu werfen und den Tränen freien Lauf zu lassen.
    »Ich bin jeden Tag hier.« Und daran würde sich nichts ändern, dessen war sie sich jetzt sicherer als je zuvor.
    »Die Sache in New York hat länger gedauert.« Und in den Nächten hatte er nur wenig geschlafen, weil er immerzu an sie gedacht hatte. Er wollte weiterreden, genauso scharf und zornig wie zuvor, aber etwas in ihrem Blick ließ ihn innehalten. »Was ist?« Sie schaute auf die Rosen, und er wusste Bescheid. »Mist.« Mit einem Seufzer ließ er den Strauß fallen. »War sie allein?«
    Dass er das fragte, dass er zuerst an Mrs. Higgs dachte, ließ sie nach seiner Hand greifen. »Nein, ich war bei ihr.«
    »Das ist gut.« Eiskalt lag ihre Hand in seiner. »Ich bringe dich nach Hause.«
    »Nein.« Wenn er jetzt zu viel Mitgefühl zeigte, würde ihre beherrschte Haltung zusammenbrechen. »Ich möchte erst mit ihrem Arzt sprechen.«
    Er wollte widersprechen, legte dann aber nur den Arm um ihre Schultern. »Ich warte mit dir.«
    Schweigend saßen sie nebeneinander. Der Duft der Rosen stieg ihr in die Nase. Es waren junge Knospen, frisch und noch feucht. Teil eines Kreislaufs. Wenn man das Leben schätzen wollte, musste man diesen Kreislauf verstehen lernen und akzeptieren.
    Als der Arzt hereinkam, stand Anna langsam auf.
    »Miss Whitfield. Mrs. Higgs hat oft von Ihnen gesprochen. Sie sind Medizinstudentin.«
    »Ja.«
    Er nickte, behielt sich ein Urteil vor. »Sie wissen, dass wir ihr vor einigen Wochen einen Tumor, einen bösartigen, entfernt haben. Leider gab es noch einen weiteren. Eine zweite Operation hätte sie nicht überstanden. Uns blieb nur, ihr das Ende so leicht wie möglich zu machen.«
    »Ich verstehe.« Anna begriff, dass auch sie eines Tages solche Entscheidungen treffen musste. »Mrs. Higgs hatte keine Angehörigen. Ich möchte mich um ihre Beisetzung kümmern.«
    Ihre Haltung erstaunte den Arzt ebenso sehr wie ihre Antwort. Interessiert musterte er sie. Sollte sie ihr Studium

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