Die MacGregors 05 - Stunde des Schicksals
erfolgreich abschließen, würde er sie gern als Assistenzärztin unter sich haben. »Ich bin sicher, das wird sich machen lassen. Wir werden Mrs. Higgs’ Anwalt bitten, sich mit Ihnen in Verbindung zu setzen.«
»Danke.« Sie gab ihm die Hand. Ihr kühler, aber fester Griff beeindruckte Liederman. Ja, er würde sie gern weiter ausbilden.
»Gehen wir«, sagte Daniel, sobald sie allein waren.
»Meine Schicht ist noch nicht zu Ende«, wandte Anna ein.
»Doch, das ist sie.« Er nahm ihren Arm und führte sie zum Fahrstuhl. »Es ist dir erlaubt, auch mal zum Durchatmen zu kommen. Und keine Widerrede jetzt.« Er hatte geahnt, dass das kommen würde. »Sagen wir einfach, dass du mir einen Gefallen tust. Außerdem möchte ich dir etwas zeigen.«
Sie hätte protestieren können. Allein das Wissen um ihre Kraft ließ sie nachgeben. Sie würde mit ihm gehen, denn morgen würde sie ohnehin wiederkommen und tun, was immer getan werden musste.
Als sie ins Freie traten, winkte Daniel seinem Chauffeur.
»Ich habe meinen eigenen Wagen«, sagte sie.
Er zog eine Augenbraue hoch und nickte dann. »Augenblick.« Er ging zu seinem Rolls-Royce und schickte Steven nach Hause. »Dann fahren wir eben mit deinem Wagen. Fühlst du dich in der Lage dazu?«
»Ja. Ja, sicher.« Sie zeigte auf ihr kleines weißes Cabrio und ging darauf zu.
»Ich habe deinen Geschmack immer bewundert«, meinte er anerkennend.
»Wohin fahren wir?«
»Nach Norden. Ich beschreibe dir den Weg.«
Das Fahren, der Wind in ihren Haaren und die Tatsache, nicht zu wissen, wohin es gehen sollte, beruhigte sie irgendwie. Sie fuhren zur Stadt hinaus, und eine Weile lang überließ er sie ihren Gedanken.
»Tränen zu vergießen ist nicht unbedingt ein Zeichen von Schwäche.«
»Nein, stimmt.« Sie seufzte und sah auf die Schatten, die das Sonnenlicht auf die Straße warf. »Ich kann nicht. Noch nicht. Erzähl mir von deiner Reise nach New York.«
»Eine verrückte Stadt. Mir gefällt sie, hat sie immer schon gefallen.« Er grinste und legte den Arm auf die Sitzlehne. »Ich möchte dort nicht leben, aber dem Trubel kann man sich nicht entziehen. Sagt dir ›Dunripple Publishing‹ etwas?«
»Ja, natürlich.«
»Nun, ab jetzt heißt es ›Dunripple & MacGregor‹.« Er war sehr zufrieden damit, wie der Deal sich entwickelt hatte – oder besser gesagt, in welche Richtung er den Deal gelenkt hatte.
»Sehr angesehen.«
»Pfeif auf das Ansehen«, knurrte er. »Die brauchten frisches Blut und eine kräftige Finanzspritze.«
»Und du? Was brauchtest du?«
»Ich muss meine Investitionen streuen. Ich mag es gar nicht, wenn alle meine Geschäfte alle in ein und dieselbe Richtung zielen.«
Sie runzelte nachdenklich die Stirn. »Woher weißt du, in was du investieren sollst?«
»In alteingesessene Firmen, die an Marktanteil verlieren, oder neue Firmen, die groß im Kommen sind. Bei Ersteren kann ich instand bringen, durch Letztere eröffnet sich mir die Möglichkeit, Neues zu versuchen.«
»Aber woher weißt du, dass sich die Investitionen auch lohnen?«
»Sicher werden nicht alle Profit einbringen. Aber das ist ja das Interessante daran. Es ist ein Spiel.«
»Hört sich nach einem riskanten Spiel an.«
»Mag sein, aber so ist das Leben.« Er musterte sie. Sie war immer noch blass, ihre Augen zu groß, zu ruhig. »Ein Arzt ist sich auch bewusst, dass nicht alle seine Patienten es schaffen werden. Das hält ihn aber nicht davon ab, weiter Kranke zu behandeln.«
Ja, er verstand. Sie hätte es wissen müssen. »Stimmt, du hast recht.«
»Wir alle gehen Risiken ein, Anna, wenn wir wirklich leben wollen.«
Sie fuhr schweigend weiter, folgte Daniels Richtungsanweisungen. Gedanken wirbelten durch ihren Kopf, aufgewühlte Gefühle rauschten durch ihren Körper. Es war eine lange, ruhige Fahrt, eigentlich hätte sie sie beruhigen müssen. Aber als sie schließlich die Küstenstraße entlangfuhren, war Anna angespannt und nervös. Als in einiger Entfernung ein kleines Lebensmittelgeschäft auftauchte, zeigte Daniel darauf.
»Halt dort vorn an.«
Sie fuhr auf den Parkplatz und sah ihn an. »Ist es das, was du mir zeigen wolltest?«
»Nein. Aber du wirst Hunger bekommen.«
Sie presste die Hand auf den Magen. »Ich glaube, ich bin schon hungrig.« Ohne große Erwartungen auf ein opulentes Mahl folgte Anna Daniel in das Geschäft.
Es war ein altmodischer Tante-Emma-Laden. Konserven standen an den Wänden gestapelt, haltbare Lebensmittel waren in offenen Regalen
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