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Die MacGregors 05 - Stunde des Schicksals

Die MacGregors 05 - Stunde des Schicksals

Titel: Die MacGregors 05 - Stunde des Schicksals Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nora Roberts
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Initiative ergriff, war ein Narr und ein Versager. Sie hatte nicht vor, entweder das eine oder das andere zu sein.
    Mit diesem Entschluss im Hinterkopf las Anna dem kleinen Mädchen weiter vor, bis ihm die Augen zufielen. Dann klappte sie das Buch zu und trat in den Korridor hinaus. Auf ihrem Weg nach unten begegnete sie einem völlig übermüdeten Assistenzarzt. Fast hätte sie gelächelt. Er würde bestimmt nicht verstehen können, warum sie ihn beneidete. Niemand konnte das, höchstens vielleicht ein anderer Medizinstudent. Aber in ein paar Monaten würde sie nicht einfach mehr so spontan das Krankenhaus verlassen können. Es konnte also nichts schaden, wenn sie die ihr verbleibende Zeit noch einmal ausnutzte.
    Als sie ins Freie trat, war der Himmel grau, und es war so heiß, dass der Regen zu verdampfen schien, sobald er auf dem Asphalt aufschlug. Bis sie ihren Wagen erreicht hatte, war sie klitschnass und summte vor sich hin. Als sie durch die Stadt fuhr, drehte sie das Radio auf. Die laute Musik passte zu ihrer Stimmung.
    Das Gebäude der »Old Line Savings and Loan« sah würdevoll und vertrauenerweckend aus. Während sie über den Rasen lief, fragte sie sich, welche Veränderungen Daniel wohl vorgenommen haben mochte. Innen konnte man den frischen Anstrich und den neuen Teppich bemerken, aber gesprochen wurde immer noch mit einem geflüsterten Murmeln. Anna fuhr sich mit beiden Händen übers Haar und verteilte Wassertropfen auf dem Boden, dann ging sie auf den nächsten Bankangestellten zu und hielt die Finger hinter dem Rücken über Kreuz.
    Oben in seinem Büro betrachtete Daniel die Anzeigen, die in der Woche darauf in den Zeitungen erscheinen sollten. Der Manager hatte sich gekrümmt, als er die Unterlagen durchgesehen hatte, aber der junge Assistent, den Daniel eingestellt hatte, war begeistert gewesen. Manche Entscheidungen mussten eben aus dem Instinkt heraus getroffen werden. Und der Instinkt sagte Daniel, dass diese Anzeigen sowohl den Umsatz als auch seinen Ruf steigen lassen würden. Das eine war genauso wichtig wie das andere. Er würde der Old Line nicht nur wieder auf die Füße helfen, sondern in zwei Jahren gedachte er eine Zweigstelle in Salem zu eröffnen.
    Doch noch während er sich das ausmalte, wanderten seine Gedanken zurück zu einer windigen Klippe, zu einer Frau mit dunklen Haaren und braunen Augen. Die Erregung, die ihn jetzt durchlief, war ebenso intensiv wie zu dem Zeitpunkt, als er sie in seinen Armen gehalten hatte. Er konnte noch immer ihren Duft wahrnehmen. Selbst hier, allein in seinem Büro, meinte er sie schmecken zu können.
    Mit einem ungeduldigen Knurren schob er die Papiere zur Seite und stellte sich ans Fenster. Er sollte sich nach einer anderen Frau umsehen. Hatte er sich das nicht vorgenommen, als er von Anna weggegangen war? Er hatte es ernst gemeint, hatte sogar erste Schritte unternommen. Aber jedes Mal, wenn er an eine andere Frau dachte, schob sich Anna vor seine Augen. Sie war so fest in seinem Kopf verankert, dass kein Platz mehr für irgendjemand anderen blieb. Er würde nicht über sie hinwegkommen.
    Daniel starrte hinaus in den Regen. Boston wirkte grau und düster. Es passte zu seiner Stimmung. Wenn er hier mit dem Papierkram fertig war, würde er einen langen Spaziergang am Fluss entlang machen.
    Schlechtes Wetter oder nicht, er musste allein sein, ohne Diener oder Angestellte. Nur ohne Anna konnte er nicht sein. Er würde auch nicht vor ihr fliehen können. Wie konnte man vor etwas fliehen, das man im Blut hatte, in jeder einzelnen Körperzelle? Denn da war Anna. Ganz gleich, wovon er sich auch zu überzeugen versuchte – genau da war sie.
    Er wollte sie heiraten. Daniel wandte sich vom Fenster ab und marschierte im Zimmer auf und ab, die Hände tief in den Hosentaschen. Verflixtes Weib! Er wollte morgens neben ihr aufwachen. Er wollte abends nach Hause kommen und sie in die Arme schließen. Er wollte sehen, wie sein Kind in ihr heranwuchs. Und er wollte all das mit einer Verzweiflung, die ihm ebenso fremd war wie eine Niederlage.
    Niederlage? Allein das Wort ließ ihn mit den Zähnen knirschen. Bevor er eine Niederlage eingestand, musste noch einiges mehr geschehen. Zum Teufel mit anderen Frauen, entschied er abrupt. Es gab für ihn nur eine Frau, und die würde er bekommen.
    Als das Telefon auf seinem Schreibtisch läutete, war er schon fast an der Tür. Mit einem leisen Fluch riss er den Hörer von der Gabel. »MacGregor.«
    »Mr. MacGregor, hier ist

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