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Die Macht der Angst (German Edition)

Die Macht der Angst (German Edition)

Titel: Die Macht der Angst (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon McKenna
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bis dato nie irgendwelche optischen Präferenzen gekannt. Die Mulde an ihrem Schlüsselbein beschleunigte seinen Speichelfluss. Er konnte den Blick nicht von dem hellen Schimmer ihrer Haut abwenden, konnte nicht aufhören, den Duft von Honig, Milch und Blumen, der sie wie ein zarter Schleier umwehte, tief in seine Lungen zu atmen. Konnte ihn nicht schnell genug inhalieren.
    Er wollte sie in sich aufnehmen, sie einsaugen. Über ihren ganzen Körper lecken. Dafür sorgen, dass sie sich entspannte, kichernd errötete und diesen besorgten Ausdruck ablegte. Sie erinnerte ihn an ein scheues Reh in freier Wildbahn: wachsam und von Natur aus würdevoll. Ihr haftete nichts von der lässigen Arroganz an, die so viele junge Menschen aus reichem Elternhaus verströmten.
    Er konnte den Ausdruck ihrer Augen unter dem dichten Wimpernkranz nicht einordnen. Vermutlich glaubte sie, dass er nicht ganz dicht war. Einfach so ihre Hand zu nehmen, als hätte er jedes Recht dazu. Kev hatte es nicht geplant, es war einfach geschehen.
    »Hier wohne ich«, verkündete sie.
    Kev guckte sich verblüfft um. Er hatte ihre Adresse herauszufinden versucht und ohne große Überraschung festgestellt, dass sie nicht gelistet war. Edie war eine zu verlockende Beute.
    Das hier war nicht, was er erwartet hatte. Ein schäbiges, heruntergekommenes Wohnhaus in einem anrüchigen Viertel. Er zwang sich, ihre Hand loszulassen, und vermisste augenblicklich den süßen warmen Kontakt.
    Sie warf die Haare nach hinten. Die Geste wirkte trotzig. »Willst du mit hochkommen?«, fragte sie. »Auf eine Tasse Kaffee oder Tee? Oder etwas anderes?«
    »Ja«, sagte er. Etwas anderes wäre fantastisch. So viel davon, wie er bekommen konnte.
    Ihr Blick huschte wieder davon. »Dann komm.« Sie ging ihm voran durch ein Maschendrahttor und einen gesprungenen Betonpflasterweg entlang, der um das Gebäude herum zu einer knarzenden Außentreppe führte.
    Ihr Apartment befand sich im dritten Stock, begehbar über eine Gemeinschaftsveranda an der Hausrückseite. Es blickte auf eine Reihe Müllcontainer und eine schäbige Gasse. Ein zerschrammtes Riegelschloss und ein veralteter Knauf mit Einrastknopf schepperten locker in der Tür. Er könnte das Ding mit einem Fußtritt aus den Angeln befördern. Wahlweise mit der Faust. Was ihre Familie sich bloß dabei dachte, sie in einer solchen Bruchbude hausen zu lassen. Nicht, dass es ihn irgendetwas anging. Noch nicht.
    »He! Edie!« Ein etwa achtjähriger, dürrer, dunkelhäutiger Junge mit einem wirren Schopf schwarzer Locken und mehreren Zahnlücken kam die Treppe hochgeflitzt. »Hilfst du mir bei meinem Geschichtaufsatz? Ich soll etwas über den Louisiana Purchase schreiben, aber –« Als er Kev bemerkte, kam er schlitternd zum Stehen.
    »Hallo, Jamal«, sagte Edie. »Vielleicht später, in Ordnung?«
    Aber Jamal dachte nicht mehr an seinen Aufsatz. Seine dunklen Augen weiteten sich vor Staunen. »Ich werd nicht mehr!«, keuchte er. »Du bist Fade Shadowseeker!«
    Edie setzte eine gequälte Miene auf. »Wir haben das bereits besprochen. Fade Shadowseeker ist eine Romanfigur, keine echte Person! Das hier ist Kev.« Sie drehte sich zu ihm um. »Jamal ist mein Nachbar. Er ist außerdem mein erster Leser und mein bester Kritiker.«
    »Natürlich ist er Fade! Sieh dir doch mal die Narben an! Hey, stimmt es, dass du Heimen für jugendliche Ausreißer Millionen von Dollar gibst? Und dass du diesem Arschloch, das Valerie verprügelt hat, eine Lektion erteilt hast? Angeblich hast du ihm praktisch den Kiefer aus dem Gesicht gedroschen, bevor du sie zu ANY PORT gebracht hast. Der blöde Wichser schlürft jetzt flüssiges Essen durch einen Strohhalm. Und hast du dich echt auf diese Kerle gestürzt, die –«
    »Jamal! Nein! Er ist es nicht! Sein Name ist Kev, und Fade Shadowseeker ist … nicht … real! Kev ist jemand anderes! Kapier es endlich!«
    Jamal stieß ein absolut nicht überzeugtes Schnauben aus. »Was tut er dann hier? Du bringst nie Männer mit nach Hause.« Jamal bedachte Kev mit einem missbilligenden Blick. »Wirst du Sex mit Edie haben?«
    »Jamal!«, ächzte sie entgeistert. »Sei still!«
    »Fade hat in Band vier Sex mit Mahlia«, vertraute er Kev an. »Aber das Kapitel überspringe ich immer. Mädchen sind eklig. Außer Edie. Sie ist okay.«
    Kev hüstelte. »Jeder hat ein Recht auf seine Meinung.«
    »Mach dich vom Acker, Jamal«, befahl Edie streng. »Sonst lass ich dich nicht mehr an den Computer. Für den Rest deines Lebens.

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