Die Macht der Dunkelheit
angekettet auf einem hohen Balken über zwei Pfosten. Obwohl seine fünf Augen mit einer Binde aus Fastmenschenleder bedeckt waren, hatte es ihn doch gewittert. Es schlug wild mit den Flügeln. Schwarzlicht schritt unter ihm hindurch, hinaus auf den flachen Kamm, auf dem mehrere weiße Zelte verstreut lagen. Wie es die Höflichkeit vorschrieb, blieb er vor dem Tor des Gatters, das sie umgab, stehen und wartete, bis ein Clansmann auf ihn zukam. Der Mann saß im Sattel auf zwei elastischen Stangen, die von zwei trottenden Fastmenschen getragen wurden.
Neugierig starrte er die Kreaturen an. In seiner Kindheit hatten die Allgemeinen Vereinbarungen ihre Benutzung innerhalb der Stadt verboten und auch den Verkauf ihres Fells und ihres Fleisches. Er erinnerte sich, daß er die ersten im Parkzoo gesehen hatte und er enttäuscht gewesen war, weil sie ihm gar nicht so wild und gefährlich vorgekommen waren, wie man erzählte. Die dunkelpelzigen, halbmenschlichen Kreaturen faszinierten ihn so sehr, daß er fast erschrak, als der Clansmann ihn nach seinem Begehr fragte.
»Ich erbitte Wasser vom Vater der Jagd.« Er verbeugte sich und setzte die Höflichkeitsformel, die er vor langer Zeit gelernt hatte, im Dialekt des Jagdclans fort: »Ich erbitte Schatten. Ich erbitte Weisheit.«
»Der Vater der Jagd ist für seine Weisheit und Großzügigkeit bekannt.« Der Clansmann verbeugte sich mit gleicher Höflichkeit. »Sein Name ist Tlongga Tlong, das bedeutet Steinbrecher. Er wird auch nach deinem fragen.«
»Er kannte mich in der Tlyarena, ehe ich einen Namen hatte.«
»Komm mit mir.« Der Clansmann brachte ihn in ein Zelt, in dem Schlafdecken zu Sitzen rings um einen Teppich aus Fastmenschenhaar zusammengerollt waren. Er setzte sich und überlegte, während er auf den Clanältesten wartete, was er sagen sollte. Der Jagdclan, der im ödesten und wildesten Hochland zu Hause war, lebte von der Fastmenschenjagd und den Einnahmen aus seinen traditionellen Strafjagden. Die Clanmänner hatten die interstellare Kultur nie anerkannt, es schien deshalb unwahrscheinlich, daß sie ihm helfen würden.
Seine Überlegungen wurden durch den Eintritt Steinbrechers unterbrochen. Sein narbiges Gesicht mit der Clantätowierung wirkte finster und drohend, bis er Schwarzlicht offensichtlich erkannte. Plötzlich glänzten seine weißen Zähne in einem breiten Lächeln.
»Der namenlose Herausforderer!« Seine Verbeugung verriet seine Achtung. »Wir sahen dich in der Arena. Du hast dich gut gehalten, bis der Tly dich stach. Wir heißen dich zu Schatten und Wasser willkommen.«
Erst als sie das rituelle Wasser getrunken hatten, fragte Schwarzlicht, ob Menschenfreund Schneefeuer hier gewesen war, um mit dem Clanältesten zu sprechen.
»Wir unterhalten uns nicht mit fremden Frauen.« Die tätowierte Maske lächelte nicht länger. »Die Andersweltfrau war hier. Sie sprach mit einer unserer Frauen. Wir hörten, daß sie unverschämte Fragen über die Rechtlichkeit der Jagd stellte, die seit fünftausend Jahren Teil unseres Gesetzes ist.«
»Weiß der Vater der Jagd, wohin sie von hier gegangen ist?«
»Sie kam, um sich Erlaubnis zum Betreten der Heiligen Jagdgründe zu erbitten. Wir verweigerten sie ihr. Wir übermittelten ihr auch eine Warnung. Wird sie im Jagdclangebiet aufgefunden, fällt sie unter die Gerichtsbarkeit des Jagdclans.«
Schwarzlicht blinzelte. »Sie untersuchte ...« Die Sache kam ihm plötzlich so absurd vor, daß er stockte. »Sie ging einem Gerücht über Riesenwürmer nach, die angeblich den Planeten auffressen!«
»Wir selbst haben diese Würmer gesehen!« Steinbrecher schauderte. »Wir haben kein Bedürfnis, sie wiederzusehen.« In bitterem Grimm fuhr er auf. »Sie sind ein Fluch für uns alle, heraufbeschworen durch habgierige Männer, die unsere Welt an die Fremden verkauften. Unsere eigenen unüberlegten Väter waren es. Damals, als das Tor noch neu war. Für ein paar Flinten und Krimskrams verkauften sie die Abbaurechte für unser gesamtes Gebiet. Der Käufer war ein gerissener Andersweltler namens Eisenschmied. Sie dachten er wäre an Gold interessiert. Jetzt verschlingen die Würmer alles – Erde und Fels, unsere heiligen Wasserlöcher, ja die ganze Welt!«
»Die Würmer sind also Maschinen?«
»Wenn Maschinen so groß sein können.« Eisenbrechers Stimme klang fast ehrfürchtig. »Wenn Maschinen Gruben tiefer als das Meer graben können. Wenn Maschinen so viel verschlingen können.«
»Wußte Menschenfreund
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