Die Macht der ewigen Liebe
passiert das nicht!«
Sein leidenschaftliches Versprechen beruhigte meine blank liegenden Nerven, und ich tat so, als würde ich nicht merken, dass er von mir wegrutschte. Er erhob sich, und seine Stimme hörte sich auf einmal sicherer an, so als hätte er einen neuen Fokus entdeckt. »Remy, ich glaube, wir sollten einander etwas Abstand einräumen«, verkündete er ruhig.
Und noch eins drauf! Ich hockte immer noch zu seinen Füßen und kippte nun auf meinen Fersen nach hinten. Die Luft entwich meinen Lungen, mein Mund klappte auf. »Du willst Schluss machen?« Selbst in meinen Ohren klang ich wie am Boden zerstört.
»Nein! Gott, ich vermassele es noch!« Er rollte die Schultern, um sie zu lockern.
Ich erstarrte. »Willst du mir dann bitte mal erklären, was du meinst, weil es mir nämlich so vorkam, als hättest du gerade mit mir Schluss gemacht?«
Er hob meinen Schlafsack vom Boden auf und schob ihn unter den Arm. »Remy, ich habe nur vorgeschlagen, etwas auf Abstand zu gehen, um einander Raum zu geben. Ich weiß, dass du meine Anspannung in letzter Zeit zu spüren bekommen hast.«
Verlegen trat er von einem Fuß auf den anderen. Ich schätzte, er hatte schon eine Weile darüber nachgedacht, denn als er »Abstand« sagte, meinte er »Abstand von mir«, und dabei klang seine Stimme fast erwartungsvoll.
»Ich nenn das Wortklauberei«, sagte ich.
»Remy, das ist nicht fair!«
Ich kniff die Augen zu und zog meine mentale Mauer hoch, um ihn abzublocken. Ich hatte monatelang um ihn gekämpft. Geduldig darauf gewartet, dass er sich umdrehte und mich sah. Jetzt war ich am Ende. Wie er wollte auch ich nichts mehr empfinden. Ich wollte mich nicht länger verletzt fühlen,wenn er mich wieder abwies, denn diese ständige Qual war schlimmer als jede Wunde, die ich übernommen hatte.
»Also gut«, sagte ich mit ausdrucksloser Stimme, »ich willige ein.«
Er beobachtete mich mit enttäuschter Miene, als ich mir frische Klamotten aus der Tasche zog, und stellte sich mir in den Weg, als ich an ihm vorbeigehen wollte.
»Bitte kling nicht so, Remy«, flehte er. »Ich liebe dich immer noch!«
Ich drückte meine Klamotten an mich und starrte mit brennenden Augen auf seine Brust. Ich musste weinen und wollte nicht, dass er es mitbekam. Das wäre der letzte Nagel im Sarg meiner Demütigung gewesen. »Aber nicht mehr auf dieselbe Art, stimmt’s? Weil du dich verändert hast, und ich nicht.« Ich zuckte mit den Achseln und versuchte trotz des Kloßes in meinem Hals zu schlucken. »Schon okay, Asher. So, wie es lief, konnten wir schließlich nicht weitermachen. Irgendetwas musste einfach dran glauben.« Ich hatte nur nicht erwartet, dass dieses ›Etwas‹ unsere Beziehung sein würde.
Ich stand kurz davor loszuschluchzen, deshalb schob ich mich endgültig an Asher vorbei und rannte ins Bad. Leider brachte die eiskalte Dusche keine Besserung, aber sie übertönte die Geräusche. Und ich kam nicht eher wieder heraus, bis ich den Schmerz ganz tief in mich hineingeschoben hatte und mir wünschte, ich hätte nie wieder gelernt zu weinen.
Asher hatte mir mein Herz aus der Brust gerissen und es den Elementen zum Fraß vorgeworfen. Die Monate des Mundhaltens und Hinnehmens hatten ihren Tribut gefordert. Ashers schlechte Laune, Lucys wachsende Depression und die Tatsache, dass ich mit ständigen Schuldgefühlen und Enttäuschungen fertigwerden musste, hatten mich mürbe gemacht. Leute zu lieben war scheiße.
Als wir unsere Sachen packten, damit wir das leere Haus verlassen konnten, bemerkte Lucy die blauen Flecken an Ashers Hals und die Kratzer an seinem Armgelenk. Ich hatte ihn nicht geheilt, und er hatte auch nicht darum gebeten. Er trug die Male wie eine Strafe. Ich erklärte Lucy, Asher und ich würden eine Pause einlegen. Sie umarmte mich und drängte mich nicht, mehr zu erzählen.
Im Pick-up starrte ich aus dem Beifahrerfenster, blind für die vorbeiziehende Landschaft, und dabei gleichzeitig jeder Bewegung, die Asher beim Fahren machte, nur zu bewusst. Unterhaltungen, die wir geführt hatten, spielte ich in meinem Kopf noch einmal ab. Sein Versprechen, mich immer zu lieben, komme, was da wolle. Nach Dean hatte ich zwei Meter dicke Mauern um mich herum hochgezogen, doch Asher hatte sie durchbrochen.
Jeder, an dem dir liegt, verletzt dich schließlich.
Als ich mich in Asher verliebte, hatte ich gedacht, ich würde diese Lektion des Lebens hinter mir lassen, doch manche Dinge änderten sich eben nie.
Auf unserer Fahrt
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