Die Macht der ewigen Liebe
Chapel Street, die in Knightsbridge, einem Viertel im Herzen Londons, lag. Man brauchte kein Genie zu sein, um zu erkennen, dass es sich um eine sehr wohlhabende Nachbarschaft handelte. Wir kamen an exklusiven Läden vorbei, in die ich mich nie hineingewagt hätte, und an noblen Häusern, die man eigentlich eher in Kinofilmen erwartet hätte als im wirklichen Leben. Mir war völlig schleierhaft, wie man sich solch einen Lebensstil leisten konnte. Auch wenn ich dadurch, dass mir Asher begegnet war, selbst Teil dieser Welt geworden war.
Asher und Gabriel waren schon vorgefahren und hatten die Lage sondiert. Sobald sie sicher waren, dass die Luft rein war, hatten sie Lottie Bescheid geben, dass wir uns dem Haus gefahrlos nähern konnten. Es verfügte über keine Garage, weshalb Lottie unseren Fahrer anwies, uns am Rand der dreispurigen Straße rauszulassen. Hier erhob sich ein hohes Backsteinhaus neben dem anderen,was den Eindruck machte, als gäbe es eine einzige Gebäudewand. Davor verlief ein gusseiserner schwarzer Zaun mit einem Gartentor, durch das man zur Haustür und einer Art Treppe gelangte, die in den Souterrainbereich führte.
Entgeistert starrte ich das Haus an und zählte zusätzlich zum Souterrain vier Stockwerke. Das zweite Stockwerk verfügte über Balkone, und alle Fenster waren mit Blumenkästen geschmückt. Absurderweise ging mir die Frage durch den Kopf, wer sich während der Abwesenheit der Blackwells wohl um die Pflanzen kümmerte. Du meine Güte! Vermutlich hatten sie Personal.
Ich folgte den anderen in einen hellen Eingangsbereich. Der ganze Raum wurde von der Morgensonne erhellt, deren Licht sich im Glas eines riesigen Kronleuchters brach. Wir stiegen die Treppe ins nächste Stockwerk hoch, und ich spähte durch eine Tür in einen weiteren Raum. Das offensichtlich kürzlich gebohnerte Walnussparkett glänzte. Die muskatnussbraunen Wände harmonierten mit den teuer aussehenden hellbraunen Möbelstücken, die dazu einluden, sich vor dem Kamin niederzulassen. Ich ging einen Schritt in den Raum hinein und entdeckte ein Piano.
Auch das noch! Noch nie hatte ich mich so fehl am Platz gefühlt, und das, obwohl ich mich im Haus der Blackwells in Blackwell Falls wohlgefühlt hatte. War mir das Haus schon wie eine Villa vorgekommen, so schien ihr Londoner Heim der Inbegriff der Dekadenz schlechthin zu sein. Ich würde mich nirgends hinsetzen können, ohne nicht Bammel zu haben, etwas kaputtzumachen.
Jemand stieß gegen mich. Es war Lucy, die nun stolpernd mit noch weiter aufgerissenen Augen als meinen neben mir stehen blieb. »Toto, ich glaube, wir sind nicht mehr in Kansas!« Sie war offensichtlich so überwältigt, dass sie spontaneine Zeile aus ihrem Lieblingskinderbuch zitierte: Der Zauberer von Oz.
Wir sahen uns an und kicherten los. Eine Sekunde später wurde sie wieder ernst und stapfte davon, und ich war traurig, dass der Augenblick vorbei war. Immerhin war ich nicht die Einzige, der es vorkam, als wären wir in eine Filmkulisse geraten. Erin, die genauso baff wirkte, erforschte den nächsten Raum.
Lottie, die nie mehr wie eine Schlossherrin gewirkt hatte als hier, zog die Vorhänge auf, sodass wir auf den Balkon schauen konnten.
»Wie viele Zimmer hat das Haus eigentlich?«, fragte ich.
»Na ja, ihr habt unten die Eingangshalle gesehen, aber als Zimmer zählt die ja eigentlich nicht. Ansonsten befinden sich im Erdgeschoß noch das Esszimmer, die Küche, die Bibliothek und eine Toilette. Gerade stehen wir im Salon, und da hinten schließen sich Wintergarten und Dachterrasse an. Ein Stockwerk höher liegen Gabriels Zimmer und sein Bad, und noch eines höher gibt es zwei weitere Schlafzimmer und noch ein Badezimmer. Im Souterrain befinden sich ein Weingewölbe, ein sogenanntes Familienzimmer und ein weiteres Schlafzimmer mit Bad.«
Sie führte die anderen weiter herum, und ich hörte Begeisterungsrufe angesichts von Stuck verzierten Decken und marmornen Bädern; ich aber blieb im Salon zurück. Ich war in einer armseligen Mietwohnung groß geworden, die nicht geräumiger war als eine einzige Etage dieses Prachtbaus. Und zwar zweimal. Ich schüttelte den Kopf, um ihn freizubekommen. Ich brauchte erst mal etwas Schlaf, bevor ich alles genauer in Augenschein nahm.
Als die anderen wieder zu mir stießen, fragte ich Lottie: »Wo sollen wir schlafen?«
»Na, ich dachte mir, die Heilerin und die Sterbliche würden sich vielleicht ein Zimmer teilen wollen.«
»Ui, danke«, sagte Lucy und grinste
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