Die Macht der ewigen Liebe
aus.«
Sie dachte darüber nach und nickte. »Und der andere Grund?«
Ich zögerte. »Das lag an der Art, wie dein Bruder dich behandelt hat. Er hat dich misshandelt, stimmt’s?«
»Du warst ja dabei und hast es mit eigenen Augen gesehen.« Sie runzelte verwirrt die Stirn, und eines musste man ihr lassen: Sie war fast so gut darin, Alcais zu decken, wie ich es bei Dean gewesen war.
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, ich meine, er hat dich auchvorher schon gequält. Und seitdem vermutlich immer wieder.«
Erin wurde leichenblass und senkte den Blick. Die gleiche Scham war mir oft anzusehen gewesen.
»Du hast es gewusst?«, fragte sie.
Alcais hatte sie vor Delias und meinen Augen körperlich misshandelt. Ich hatte mich gefragt, was er ihr möglicherweise noch alles antat, wenn keiner hinsah. Alcais besaß eine grausame Ader, und Erin war ein ideales Opfer gewesen, da sie die Verletzungen, die er ihr zufügte, heilen konnte. Direkt beweisen hatte ich es nie können, doch etwas in mir hatte eine Ähnlichkeit zu ihr festgestellt, einen gemeinsamen Hintergrund, über den wir uns nicht gern ausließen. Als sie sich ohne lange zu fackeln entschieden hatte, mit uns zu fliehen, war ich mir plötzlich sicher gewesen: Sie flüchtete vor ihrem Bruder.
Ich zuckte mit den Achseln. »Ich habe die Zeichen erkannt. Ich weiß, wie es ist, mit so jemandem zu leben. Ich hatte das Gefühl, dass du nach einer Möglichkeit gesucht hast, auf deine Weise zurückzuschlagen. Indem du mir hilfst, etwa.«
»Du warst ihm gewachsen. Ich dagegen konnte nichts ausrichten.« Erin verknotete die Finger. »Bei mir daheim weiß niemand was davon. Na ja, Delia vielleicht schon, aber mit ihr macht er ja dasselbe.«
Ich kroch zu ihr und setzte mich neben sie, sodass unsere Schultern sich berührten. »Erin, dein Bruder ist ein psychotisches Arschloch. Bitte, bitte sag mir, dass du dir nicht selbst dafür die Schuld gibst, wie Alcais dich behandelt hat!«
Für Menschen, die Heilerinnen quälen, sollte es in der Hölle einen speziellen Platz geben. Als würden sie es als eine Art Herausforderung betrachten, schien unsere Fähigkeit, Verletzungen heilen zu können, bei Sadisten ihre schlimmstenSeiten hervorzukehren. Wie weit konnten sie gehen, ehe sie uns brachen? Angesichts unserer Fähigkeiten leider sehr weit.
Erin kniff die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, dann lachte sie. »Ich kann nicht glauben, dass ich lache. Ich habe davon noch nie jemandem etwas erzählt. Warum lache ich?«
»Du lachst nicht«, sagte ich sanft. Ich griff nach der Schachtel mit Papiertüchern, die auf dem Tisch stand, und gab sie ihr, damit sie sich die Tränen wegwischen konnte. »Hör mal, du musst nie mehr dorthin zurück. Wir überlegen uns was.«
»Das ist ja das Problem. Ich werde zurückgehen.« Sie hob eine Schulter. »Ich kann meine Mom nicht dort zurücklassen, wenn Franc unseren Leuten solche Dinge antut. Deshalb will ich lernen, wie man sich verteidigt. Damit ich sie beschützen kann.«
Die Wut und Entschlossenheit in ihrer Stimme erinnerten mich an das Mädchen, das ich vor noch gar nicht so langer Zeit gewesen war. Ich war nicht in der Lage gewesen, meine Mutter oder meine Stiefmutter zu retten. Vielleicht waren Erins Chancen größer. Und vielleicht konnte ich dazu beitragen.
Ich stand auf und zog sie hoch. »Okay, es gibt da ein paar Dinge, die du wissen musst.«
Sobald wir ein paar Abwehrgriffe geübt hatten, entwickelte sich Erin zum reinsten Energiebündel. Aus Erfahrung wusste ich, dass die Schmerzen nicht das Schlimmste am Training waren, sondern jene Augenblicke, wenn dein Gegner dich schlug und das Gefühl der Hilflosigkeit dich zu überwältigen drohte. Ich war nicht wie ein Mann gebaut, aber das spielte keine Rolle. Als ich sie zum ersten Mal auf den Teppich drückte, brach sie in Tränen aus und zitterte die nächsten zehn Minuten am ganzen Leib. Ich schlug vor, es später noch einmal zu versuchen, aber sie stand auf und beharrte darauf, es noch mal zu probieren. Dafür bewunderte ich sie und war gleichzeitig voller Abscheu darüber, was Alcais ihr alles angetan haben musste.
»Für heute reicht’s«, sagte ich ein paar Stunden später.
Erin lag mit dem Rücken auf dem Boden, wohin ich sie geschleudert hatte, und ich half ihr auf.
»Wenn du sie packst, zögert sie.«
Ich fuhr herum und entdeckte Asher im Türrahmen, der uns beobachtete. Ich quittierte seine Bemerkung mit einem Nicken undwischte mir dann mit dem Unterarm den
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