Die Macht der Sechs - das Erbe von Lorien ; Bd. 2
Lorien, wie es wenige Tage vor dem Krieg gewesen ist. Ich sehe die Dschungel und Ozeane, von denen ich schon hundertmal geträumt habe. Ich sehe mich selbst als Kind, wie ich durch das hohe Gras tolle, während die anderen mich lächelnd anschauen und noch nichts von dem Schrecken wissen,der ihnen bevorsteht. Dann sehe ich den Krieg, die Zerstörung, das Töten, das Blut. In manchen Nächten, so wie heute, habe ich deutliche Visionen, die mir anscheinend die Zukunft zeigen.
Meine Augen sind meist gerade erst geschlossen, bevor ich wegdrifte. Und sogar wenn es beginnt, habe ich das Gefühl eine Landschaft zu betreten, die ich zwar noch nie gesehen habe, die mir aber seltsam vertraut vorkommt.
Ich laufe über einen mit Abfall und Trümmern übersäten Weg. Zerbrochenes Glas. Verbranntes Plastik. Verbogener, rostiger Stahl. Beißender Geruch steigt mir in die Nase und lässt meine Augen tränen. Verfallene Gebäude ragen in den grauen Himmel empor. Rechts ein dunkler, träger Fluss. Vor mir irgendwo gibt es eine Erschütterung. Schreie und metallisches Scheppern hängen in der Luft. Ich gelange zu einer wütenden Menschenmenge an einer Startbahn, auf der ein Raumschiff zum Abflug vorbereitet wird. Ich trete durch ein Tor, das mit Stacheldraht bewehrt ist, und begebe mich zu dem von der Masse abgeschirmten Startplatz.
Die Rollbahn ist mit kleinen, magmafarbenen Rinnsalen übersät. Mogadorische Soldaten halten die Menge in Schach, während zahlreiche Scouts das Schiff fertig machen – eine onyxfarbene Kugel, die in der Luft schwebt.
Die Menge rüttelt an der Umzäunung, wird aber von den Soldaten zurückgeprügelt. Die Gestalten sind kleiner als die Soldaten, haben aber dieselbe aschefarbene Haut. Ein tiefes Grummeln wächst irgendwo über dem Raumschiff heran. Die Menge wird still und tritt beunruhigt ein paar Schritte zurück, während die Scouts auf der Rollbahn Haltung annehmen und sich in Reih und Glied aufstellen.
Dann sinkt irgendetwas aus dem verschleierten Himmel herunter. Ein dunkler Wirbel verschluckt die umgebenden Wolken und hinterlässt einen dicken schwarzen Nebel in seinemSog. Ich halte mir die Ohren zu, bevor das Objekt auf den Boden trifft und die Erde so erbeben lässt, dass es mich fast umhaut. Alles wird still, als der Staub sich legt und ein kugelförmiges Raumschiff zum Vorschein tritt, das milchig-weiß wie eine Perle schimmert. Eine runde Tür wird aufgeschoben und eine riesige Kreatur steigt aus. Die gleiche Kreatur, die versucht hat, mich in dem felsigen Schloss zu enthaupten.
Am Zaun bricht Panik aus. Alle versuchen, diesem Monster zu entkommen. Mit seinem muskulösen und kantigen Körperbau und dem kurzgeschorenen Haar wirkt er noch riesiger, als ich ihn in Erinnerung habe. Tätowierungen schlängeln sich an seinen Armen hinauf, seine Knöchel sind mit Brandnarben verziert. Am Nacken hat er eine weitere große lilafarbene Narbe, die grotesk hervorsteht.
Ein Soldat holt einen goldenen Stab aus dem Raumschiff. Der Kopf ist geformt wie ein Hammer, mit einem schwarzen Auge auf der Seite. Als die Kreatur den Stab in die Hand nimmt, erwacht das Auge zum Leben, sieht nach rechts und links, nimmt die Umgebung in sich auf, bis es schließlich mich entdeckt.
Der Mogadori lässt seinen Blick über die Menge schweifen. Er spürt mich irgendwo in der Nähe. Seine Augen verengen sich. Er kommt mit einem Riesenschritt auf mich zu und hebt den goldenen Stab. Das schwarze Auge pulsiert.
Genau in diesem Augenblick ruft ein Mann aus der Menge dem Mogadori etwas zu und rüttelt wütend am Zaun. Der Mogadori wendet sich dem Aufwiegler zu und deutet mit dem Stab in seine Richtung. Das Auge des Stabs erglüht und der Mann wird augenblicklich durch den Stacheldrahtzaun gezwängt und in Fetzen gerissen. Die Hölle bricht los, als alle gleichzeitig zu fliehen versuchen.
Der Mogadori wendet sich wieder mir zu und zeigt mit demStab auf meinen Kopf. Ich habe das Gefühl, ins Leere zu stürzen. Schwerelosigkeit macht sich in meinen Eingeweiden breit, bis ich mich fast übergeben muss. Was ich an seinem Hals erblicke, ist so verstörend und quälend, dass ich wie vom Blitz getroffen aufwache.
***
Die Dämmerung dringt durch das Fenster und taucht den kleinen Raum in ein hartes Morgenlicht. Die Konturen der Dinge werden wieder sichtbar. Ich bin schweißüberströmt und ringe nach Atem. Aber ich bin hier. Der Schmerz und die Verwirrung in meinem Herzen verraten mir, dass ich noch am Leben bin und nicht mehr an
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