Die Macht der Seelen 1 - Finding Sky
herumgewühlt.
»Na klasse, das hat mir gerade noch gefehlt«, sagte er mit Sarkasmus in der Stimme und trat bereits den Rückzug an.
Keine Worte, die dazu getaugt hätten, das Selbstwertgefühl eines Mädchens aufzupolieren.
Ich stand auf. »Ich gehe schon.«
»Vergiss es. Ich komme einfach später wieder.«
»Ich wollte sowieso gerade nach Hause.«
Er rührte sich nicht vom Fleck und sah mich einfach nur an. Ich hatte das merkwürdige Gefühl, als würde irgendetwas an mir ziehen, so als wären wir mit einem Faden verbunden, den er langsam einholte.
Ich zitterte und schloss die Augen. Mir wurde schwindlig. »Bitte, lass das.«
»Was?«
»Mich so anzusehen.« Mein Gesicht wurde knallrot. Jetzt würde er mich für vollkommen übergeschnappt halten. Ich hatte mir diesen Faden doch bloß eingebildet. Ich machte auf dem Absatz kehrt, überließ ihm die Bank und stiefelte los in die nächste Hütte, doch er kam mir nach.
»Wie sehe ich dich denn an?«, fragte er und kickte ein Brett beiseite, das im Weg lag. Das ganze Haus ächzte; ein kräftiger Windstoß und es würde bestimmt über uns zusammenbrechen.
»Ich möchte darüber nicht sprechen.« Ich trat an den leeren Fensterrahmen und blickte hinaus ins Tal. »Vergiss es.«
»Hey, ich rede mit dir.« Er packte mich am Arm, doch dann schien ihm plötzlich etwas einzufallen. »Hör mal, ähm, Sky, so heißt du doch, richtig?« Er hob den Blick zur Decke, so als suche er da oben Beistand, da er selbst kaum glauben konnte, was er gleich tun würde. »Ich muss dir etwas sagen.« Der Wind fuhr unter den Dachüberstand und brachte das Blechdach zum Quietschen. Plötzlich ging mir auf, wie weit entfernt wir von anderen Menschen waren. Er ließ meinen Arm los. Ich rieb mir die Stelle, an der sich seine Finger in meine Haut gebohrt hatten.
Er runzelte die Stirn, schien mit sich zu ringen, ob er überhaupt zu mir sprechen sollte, gab sich dann aber doch einen Ruck. »Es gibt da etwas, das du wissen musst.«
»Was?«
»Sieh dich vor bei Nacht. Geh nicht allein nach draußen.«
»Was meinst du damit?«
»Ich habe neulich Nacht gesehen ... Hör mal, pass einfach auf, okay?«
Nein, nicht okay. Dieser Kerl machte einem Angst und Bange.
»Das siehst du ganz richtig.«
Wie? Das hatte ich eben doch nicht laut gesagt, oder?
Er fluchte und trat wütend gegen die schrottreifen Überreste herumstehender Arbeitsgeräte. Eine Kette schwang klackernd hin und her und erinnerte mich dabei an einen am Galgen baumelnden Körper. Ich schlang die Arme um die Brust, versuchte möglichst wenig Angriffsfläche zu zeigen. Es war meine Schuld. Ich hatte irgendetwas gemacht - keine Ahnung, was -, das ihn verärgert hatte.
»Nein, hast du nicht!«, sagte er scharf. »Nichts von alledem ist deine Schuld, kapiert!« Er dämpfte seine Stimme. »Und ich mache dir gerade einfach nur höllische Angst, stimmt’s?«
Ich erstarrte.
»Na schön. Ich gehe.« Er machte auf dem Absatz kehrt und verschwand leise vor sich hin fluchend zwischen den leeren Gebäuden.
Okay, das war ja wohl richtig in die Hose gegangen.
Menü
Kapitel 6
S eit Schulbeginn waren drei Wochen vergangen und im Großen und Ganzen gefiel es mir ganz gut auf der Highschool, mal abgesehen von dem mulmigen Gefühl, das mich seit Zeds Warnung begleitete. Was hatte er damit bezweckt? Und was glaubte Zed gesehen zu haben? Und inwiefern hatte das Ganze mit der Tatsache zu tun, dass ich nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr nach draußen sollte? Das Letzte, was ich jetzt gebrauchen konnte, war, dass irgendein übler Typ krankhaftes Interesse an mir zeigte.
Ich versuchte, es aus meinem Gedächtnis zu streichen. Zu viele andere Dinge passierten. Ich hatte ein paar blöde Begegnungen mit Schülern, die sich über meinen Akzent und meine Unwissenheit in Sachen amerikanischer Lebensart lustig machten, aber die meisten behandelten mich freundlich. Einige Mädchen aus meinem Sozialkundekurs, einschließlich der Cheerleaderin Sheena - die ich aufgrund ihrer Vorliebe für blutroten Nagellack heimlich die Vampirbräute nannte -, mopsten mir meinen Schulausweis, nachdem sie mit angehört hatten, wie ich mich bei Tina über mein beklopptes Foto ausgelassen hatte. Leider waren die Draculettes, was das Foto anbetraf, mit mir einer Meinung und riefen mich von da an nur noch das »blonde Häschen«, was ich ziemlich ätzend fand. Tina gab mir den Rat, einfach darüber hinwegzugehen, und meinte, der Name würde viel eher an mir kleben bleiben,
Weitere Kostenlose Bücher