Die Macht der Seelen 1 - Finding Sky
und du«, er zeigte auf Nelson, »gehst ans andere Ende. Und ihr beiden Mädels setzt euch hinter sie, neben mich.« Er winkte Tina und ein anderes Mädchen aus meiner Schule nach vorne. Beiden drückte er je ein Paddel in die Hand; ich hatte als Einzige keines, da ich in der Mitte saß.
Zed kam zu uns herüber, er hatte seinen Neoprenanzug ausgezogen und war in Shorts und Schwimmweste geschlüpft.
»Xav und Yves übernehmen den Kajaker«, verkündete Zed.
Sein Vater runzelte die Stirn. »Ich dachte, das wäre dein Job.«
»Na ja, ich habe gleich gesehen, dass sich der Typ dämlich anstellen wird. Yves kann mit so was besser umgehen.«
In diesem Moment kam ich zu dem Schluss, dass Wolfman in seiner Anti-Helden-Ausbildung ganz offensichtlich im Fach Charme gepennt hatte.
Mr Benedict sah aus, als ob er dazu noch ein paar Takte zu sagen hätte, doch er verkniff es sich angesichts der vielen Zuhörer.
Wir nahmen unsere Plätze in dem Rafting-Boot ein. Die neue Aufgabenverteilung unter den Benedict-Brüdern hatte den unangenehmen Nebeneffekt, dass ich neben Zed sitzen musste, mit Nelson auf der anderen Seite. Zed schien mich geflissentlich zu übersehen - ich war Miss Unsichtbar geworden.
»Hey du, das Mädchen in der Mitte - Sky, richtig?«
Ich drehte mich um und sah, dass Mr Benedict mit mir sprach.
»Ja, Sir?«
»Wenn es turbulent wird, hake dich bei deinen Sitznachbarn unter. Ihr beiden hier, die bei mir am Ende sitzen, achtet darauf, dass eure Füße in den Halteschlaufen am Boden stecken, wenn sich das Boot aufbäumt. Sie verhindern, dass ihr ins Wasser fallt.«
Nelson schnaubte abfällig. »Die Jungs sind wohl keiner Sorge wert, was?«
Zed hatte ihn gehört. »Er ist halt der Ansicht, dass Männer auf sich selbst aufpassen können. Hast du damit ein Problem?«
Nelson schüttelte den Kopf. »Nein.«
Das wäre ja ein gefundenes Fressen für Sally, dachte ich. Für sie als bekennende Feministin wäre Mr Benedict der totale Dinosaurier. Und über Zed wäre sie auch nicht gerade erfreut.
Mr Benedict stieß das Rafting-Boot vom Anleger ab. Mit ein paar kräftigen Ruderschlägen von Zed und Nelson waren wir draußen in der Strömung. Und von nun an wurden die Paddel nur noch zum Steuern benutzt, denn auf diesem Fluss ging es nur in eine Richtung: in halsbrecherischem Tempo stromabwärts. Mr Benedict brüllte Anweisungen, während er das Steuerruder am Heck festhielt. Ich krallte mich an meinen Sitz und erstickte die Schreie in meiner Kehle, als das Raft um einen aus dem Wasser aufragenden Felsbrocken herumschoss.
Sobald wir daran vorbei waren, sah ich, was noch vor uns lag.
»Oh mein Gott! Das überleben wir nicht!«
Das Wasser sah aus, als würde es von einem Riesenmixer auf höchster Stufe durchgequirlt. Gischt flog durch die Luft; Felsen ragten in unregelmäßigen Abständen aus den Fluten heraus, was ein Umfahren in meinen Augen schier unmöglich machte. Ich hatte schon oft gesehen, was mit Eiern in einer Rührmaschine passierte - und in zwei Sekunden wären wir Omelettemasse.
Mit einem gewaltigen Ruck wurde das Boot nach vorne geschleudert. Ich kreischte. Nelson brüllte vor Lachen und schrie »Juhu!«, während er zum Abwehren der Felsen das Paddel schwang. Auf der anderen Seite von mir machte Zed ruhig und gelassen das Gleiche, ohne irgendwelche Anzeichen von Euphorie oder Angst und ohne zu bemerken, dass ich einen mittelschweren Panikanfall hatte.
»Der Teufelskessel sieht heute recht quirlig aus«, rief Mr Benedict über die Schulter hinweg. »Haltet uns schön in der Mitte, Jungs.«
Der besagte Streckenabschnitt sah mehr als nur quirlig aus. ›Quirlig‹ nannte man Fohlen, die an einem Frühlingsmorgen ausgelassen über die Wiese tollten; das hier war ein wilder Bär im Blutrausch, der seine Winterreserven mit einer Extraportion Körperfett aufstocken wollte. Ein Raft voll mit Menschen schien da genau die richtige Mahlzeit zu sein.
Die Titelmelodie von ›Der Weiße Hai‹ dröhnte in meinem Kopf.
Das Raft stürzte sich in den Teufelskessel, sein Bug dippte für einen Moment ins Wasser und uns traf eine eiskalte Spritzfontäne. Tina kreischte kurz auf und lachte. Wir wurden nach allen Seiten hin und her geworfen. Erst wurde ich gegen Nelson geschleudert, dann gegen Zed. Ich hakte mich bei Nelson unter, traute mich aber nicht, das Gleiche bei Zed zu tun. Nelson tätschelte mir aufmunternd den Arm.
»Und, macht's Spaß?«, brüllte er, während ihm Wasser vom Gesicht tropfte.
»Ja, wenn
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