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Die Macht der Steine

Die Macht der Steine

Titel: Die Macht der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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der Dunkelheit zu finden. Es schien alles hoffnungslos. Wo verlief die Trennlinie zwischen dem Möglichen und dem Absurden?
    Sie war wütend. Sie packte die weiche Kante des Sitzes und blickte starr auf den Bildschirm. In dem Bestreben zu verstehen, hatte sie noch einmal die Geschichte der Stadt aufgerufen. Die Dummheit der ersten Kolonisten von Gott-der- Schlachtenlenker lag ihr schwer im Magen. Verstehen war nicht leichter als Vergeben.
    Sie hatten den Planeten mit einem Makel behaftet, den er nie wieder loswurde. Reah glaubte einen der Gründe zu kennen. Die Religionen ihrer Vorfahren waren männliche Religionen gewesen, mit männlichen Göttern und der Unterdrückung weiblicher Werte. Frauen waren unrein, kaum besser als Vieh. Die Natur war eine Verschwörung der unreinen Weiblichkeit gegen die hart bedrängten Männer.
    Und doch hatte sie ihren Ehemann damals geliebt und fügsam das Gesetz des Islam befolgt. Die Zukunft ihrer Tochter, das wußte sie, würde nicht so hell wie die eines Sohnes sein…
    Sie verspannte sich erneut. Sie schaute auf die Bildschirme und versuchte, die Nackenmuskulatur zu entspannen. Sohn oder Tochter, Ehemann oder Tyrann, sie waren jetzt alle gleich. »Es wäre besser, ich hätte keine Erinnerung«, murmelte sie. Das Insekt auf ihrer Schulter summte, und sie tippte ihm auf den Kopf.
    »Die Männer halten eine Versammlung ab«, meldete es mit der Stimme des Kleiderständers. »Diese Einheit ist nicht zugelassen. Meines Erachtens geht es ihnen wieder so gut, daß die Stadt ihre baldige Ausweisung in Betracht ziehen könnte.«
    »Behalte sie im Auge«, befahl sie. Sie würden ihre Pläne nicht durchkreuzen. Jetzt, da sie eine ganze Stadt kontrollierte, wenn auch eine etwas derangierte, war es an der Zeit, die Schnitzer der Männer zu korrigieren und die Verhältnisse auf Gott-der- Schlachtenlenker zu ändern. Und wo sollte man beginnen, wenn nicht bei den Kindern?
    Aber zuvörderst mußte die Stadt erst einmal ihre Position ändern.
    Sie rief den Homunculus auf, der jetzt ständig in das Rot des Architekten gewandet war.
    »Die Stadt kann aufbrechen, sobald sie bereit ist«, sagte sie.
    »Ein Transportfahrzeug ist mit Informationen über das alte Schwemmland zurückgekehrt«, meldete die Gestalt.
    »Ich habe keinen Transporter dorthin geschickt.«
    »Diese Einheit hielt es für angebracht, vor dem Aufbruch zunächst einmal die Lage zu sondieren.«
    Sie lächelte. Die Stadt dachte mit, zumindest gelegentlich. »Was hat sie gefunden?«
    »Die Bedingungen sind gut. Es gibt ein großes Grundwasserreservoir, und der Boden unterstützt die Instandhaltung der Stadt.«
    »Da es den Schutzsuchenden wieder gut geht, wäre es jetzt nicht an der Zeit, sie wieder zu expedieren?«
    »Morgen werden sie aus der Stadt gebracht«, sagte der Architekt. »Nicht früher.«
    Reah nickte. Sie war jetzt besser über ihre Möglichkeiten orientiert. Es hatte keinen Zweck, sich zu streiten.
     
    Durragon ließ den gefangenen Zylinder bringen und baute sich vor ihm auf – wenn er überhaupt eine Vorderseite hatte –, legte einen Finger auf die Lippen und saugte an der Fingerkuppe. »Du erkennst meine Kontrolle über dich an?«
    »Diese Einheit ist aus jeder etablierten Befehlskette herausgelöst worden. Weil es die Pflicht dieser Einheit ist, in einer Hierarchie zu dienen, werden deine Anweisungen nicht ignoriert werden.«
    Die Stimme des Zylinders war kratzig und schwach, als ob er lange nicht in Gebrauch gewesen oder verschlissen wäre. Durragon gefiel die Antwort des Zylinders nicht. Sie hatte etwas Trotziges, egal, wie schwach dieser Unterton auch war.
    »Keine Rätsel mehr. Drücke dich klar aus. Wenn ich dich kontrolliere, kontrolliere ich dann auch alle gefangenen Teile von Tomoye?«
    »Ja.«
    »Kontrolliere ich dich?«
    Eine Pause. Dann: »Ja.«
    »Gut.« Er wünschte sich, daß Ezeki hier gewesen wäre. Der Habiru war dialektisch weitaus besser geschult als er. »Weißt du, wie die anderen Städte zusammengesetzt sind?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    »Das war nicht meine Funktion.«
    »Könntest du ihre Komponenten für uns identifizieren, wenn wir dich in eine Stadt bringen?«
    »Ja.«
    »Sehen sie so aus wie du?«
    Schweigen. Er wiederholte die Frage.
    »Es gibt viele Ausprägungen, in Abhängigkeit von der jeweiligen Stadt. Manche sehen so aus wie ich.«
    »De Polis!« rief ein Jäger. Durragon drehte sich um und sah nach oben. Die oberen Sektionen der Stadt desintegrierten sich. Sie bereitete sich

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