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Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Titel: Die Macht der verlorenen Zeit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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George spielten Schach und verstanden sich prächtig, während Loretta und Mercedes in einem Katalog für Babysachen blätterten. Mercedes’ Schwangerschaft ging dem Ende zu, sodass die kleine Marie in kürzester Zeit Gesellschaft bekommen würde.
    In Gedanken versunken stand Paul am Kamin und sah immer wieder zu Charmaine hinüber, was Loretta und Mercedes nicht entging. Pauls Arbeit auf Espoir war im Augenblick etwas in den Hintergrund getreten, weil er auf Charmantes gebraucht wurde. Doch die beiden wussten, dass er hauptsächlich wegen Charmaine hier war.
    Auch George war in Gedanken versunken, aber die kreisten um John und Frederic. Paul hatte ihm von der missglückten Aktion berichtet, und obwohl er ihn vor voreiligen Schlüssen gewarnt hatte, malte er sich eine schreckliche Szene nach der anderen aus. Umso erleichterter war er, als Paul beschloss, nach New York zu reisen und persönlich nach dem Rechten zu sehen. Wenn Mercedes nicht so kurz vor der Geburt gestanden hätte, hätte er ihn am liebsten begleitet, doch er wollte seiner Frau nicht zumuten, was Charmaine an Ängsten durchlebte.
    Irgendwann gab George das Spiel verloren und erhob sich. Er half seiner Frau aus dem Sessel, und zusammen wünschten sie der Gesellschaft eine gute Nacht.
    Charmaine sah zu den gähnenden Zwillingen hinüber. »Es wird Zeit, dass ihr zu Bett geht. Soviel ich weiß, kommt der Weihnachtsmann nur, wenn die Kinder schlafen.« Das genügte, und sofort verschwanden die beiden mit Rose nach oben.
    Zuletzt verabschiedete sich Joshua Harrington und wünschte eine gute Nacht, und nach einigem Zögern schloss seine Frau sich ihm an. Wortlos setzte sich Paul neben Charmaine aufs Sofa und beobachtete sie mit verhaltenem Lächeln.
    Trotz aller Trauer badete Charmaine förmlich in dem Glück, das ihre kleine Tochter ihr schenkte. »Warum lächeln Sie?«, fragte sie, als sie Paul ansah.
    Doch er schüttelte nur den Kopf und zuckte die Schultern. Als er sicher war, dass niemand mehr in den Wohnraum kommen würde, zog er vier kleine, mit Schleifen verzierte Päckchen hinter dem Sofa hervor.
    »Was ist das?«
    »Das hat der Weihnachtsmann gebracht«, sagte er, als er zum Kamin ging und zwei davon in jeden Strumpf steckte.
    »Und was ist darin?«
    »Ein Kartenspiel für Yvette und Würfel.«
    »Sie machen Witze?« Charmaine lachte.
    »Ganz im Gegenteil.«
    »Ihr Vater wird wütend werden!«
    »Wenn er gesund nach Hause kommt, nehme ich die Strafe gern auf mich.«
    Sofort schossen Charmaine die Tränen in die Augen. Sie senkte den Kopf. »Ich bin ein Feigling, Paul«, flüsterte sie. »Wenn ich der Wirklichkeit ins Auge sehen könnte, könnte die Leere in meinem Herzen vielleicht heilen.«
    Der Satz hallte durch die Stille. Hatte er nicht selbst schon das Schlimmste vermutet? Dass die beiden Blackford am sechsten Dezember überwältigen wollten und irgendetwas ganz schrecklich schiefgegangen war? Sind sie tot? Voller Zorn ballte er die Fäuste, was er seit der Ankunft der Heir immer öfter tat.
    Gleich darauf lenkte ihn Charmaine von seinen mörderischen Gedanken ab. »Was ist in Jeannettes Päckchen?«
    Paul zwang sich zu einem Lächeln. »Ein Medaillon und ein kleines Pferd.«
    »Würden Sie Marie einmal halten?«, fragte sie, ohne lange zu überlegen. Hatte er schon jemals ein neugeborenes Kind im Arm gehalten?
    Stolz nahm Paul ihr die Kleine ab und wiegte sie, als ob er nie etwas anderes getan hätte. Vermutlich hatte er früher schon Pierre und die Zwillinge auf dem Arm gehalten.
    »Wohin gehen Sie denn?«, fragte Paul.
    »Das werden Sie schon sehen.« Sie lief hinaus.
    Kurz darauf kam sie mit ihren Päckchen zurück und stopfte sie in die Strümpfe der Mädchen, die sich gehörig beulten. Zufrieden drehte sie sich um. »Marie wird nicht mehr lange schlafen. Ich muss mich jetzt auch ein wenig ausruhen.«
    Paul nickte verständnisvoll, weil er schon öfter nachts die Schreie des Babys gehört hatte. Doch als Marie die Hände nach ihrer Tochter ausstreckte, schüttelte er den Kopf. »Ich trage sie.« Den anderen Arm legte er um Charmaines Schultern, und so gingen sie nach oben. Die Lampen waren heruntergedreht, und Stille lag über dem Haus. Paul trat ins Zimmer und legte Marie in die Wiege.
    Dann drehte er sich um und betrachtete Charmaine im Schein der Lampe. »Was wünschen Sie sich eigentlich zu Weihnachten?«
    »John«, stieß sie, ohne nachzudenken, hervor. Und schon krampfte sich ihre Kehle zusammen.
    Genau die Antwort, die ich hören

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