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Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Titel: Die Macht der verlorenen Zeit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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hinaus.
    Noch sechs Tage, überlegte Paul, dann bekam er vielleicht seine Antwort. Aber welche? War er darauf vorbereitet? Solch innere Anspannung hatte er noch nie erlebt. Er betete um die Gnade Gottes. Wünschte er seinem Bruder den Tod? Ganz sicher nicht. Er war froh, dass John sein Glück gefunden hatte. Und sei es auch auf seine Kosten. John und Charmaine liebten sich. Schon deshalb wollte er seinen Bruder unbedingt lebendig nach Hause bringen. Doch wenn das Schicksal anders entschieden hatte, war er bereit, Johns Stelle einzunehmen. Denk jetzt nicht daran , ermahnte er sich, denn er wusste, dass ihr Schmerz überwältigend sein würde. Was geschehen ist, ist geschehen. Bald genug wirst du die Wahrheit erfahren .
    Rebecca lief in der engen Kabine hin und her. Bisher hatte ihr Plan reibungslos geklappt. Seit dem frühen Nachmittag wartete sie nun schon. Sie war müde, und nach den vielen Stunden in der Enge des Laderaums schmerzte ihr Körper. Das schmale Bett sah einladend aus, aber sie waren noch nicht lange genug auf See. Außerdem wollte sie wach sein, falls jemand zufällig in die Kabine kam. Für den Fall plante sie, den Kopf zu senken, eine Entschuldigung zu murmeln und schnell hinauszuschlüpfen. Als es dämmerte, wurde ihr etwas leichter ums Herz. Der erste Tag war vorüber.
    Doch es wurde später und immer später. Die Schiffsglocke schlug sechs Mal, was bedeutete, dass die sechste halbe Stunde der nächtlichen Wache vorüber war. Elf Uhr, und noch immer war Paul nicht gekommen. Ob sie in der falschen Kabine wartete? Eher nicht, denn diese Kabine lag direkt neben der Kabine des Kapitäns und war größer als die des Ersten Offiziers. Womöglich war es sogar besser, dass er nicht in der Kabine schlief. Das verschaffte ihr noch eine kleine Atempause. Morgen früh war noch Zeit genug, um ihn vor dem gefährlichen Abenteuer zu warnen. Er durfte sich auf nichts einlassen. Erst recht nicht seiner durchtriebenen Schwägerin zuliebe. Sie war jetzt an seiner Seite … und sie liebte ihn! Vielleicht war sie nicht so klug wie Charmaine Duvoisin, aber dafür war sie frei und hatte noch keinem anderen Mann gehört. In der trauten Zweisamkeit an Bord würde Paul ihre Liebe erkennen … und womöglich sogar erwidern.
    Unter einem kleinen Tischchen erspähte sie einen Seesack und öffnete ihn. Es waren nur wenige Sachen darin. Vor allem maßgefertigte Kleidung. Es war also eindeutig Pauls Kabine. Vermutlich schlief er an Deck unter dem Sternenhimmel. Sie rieb ihre Augen und stellte fest, dass ihre Müdigkeit bei Weitem vom Hunger übertroffen wurde. Gierig aß sie das letzte Stückchen Brot, spülte es mit einem Schluck Wasser aus der Kanne auf dem Waschtisch hinunter und streckte sich in der schmalen Koje aus. Dann drehte sie sich zur Wand und ließ sich von dem leise rollenden Schiff in den Schlaf wiegen.
    Gegen Mitternacht betrat Paul seine Kabine und tastete nach dem kleinen Tisch, auf dem die Lampe festgeschraubt war. Als er den Docht entzündete, verbreitete sich ein sanftes Licht. Er sank auf einen Stuhl, um sich die Stiefel und das Hemd auszuziehen. Als er aufstand, um die Hose aufzuknöpfen, bemerkte er etwas auf seinem Bett. Mit gerunzelter Stirn trat er näher und identifizierte das Bündel als jungen Mann mit langen Haaren, der tief und fest schlief.
    Unsanft knuffte er den Unbekannten. »Was, zum Teufel, soll das?«
    Stöhnend drehte sich der Junge um und starrte ihn verwirrt an. Dann sprang er auf und strich sich die Haare aus dem Gesicht.
    »Jesus!«, fluchte Paul, als er Rebecca Remmen vor sich stehen sah. »Was, zum Teufel, haben Sie hier zu suchen?«, brüllte er sie an.
    »Ich … ich habe mich an Bord geschlichen«, stotterte Rebecca.
    »Wie? Und wann?«
    »Letzte Nacht«, antwortete sie kleinlaut. »Es war ganz leicht. Alle haben geschlafen.«
    Paul verdrehte die Augen. »Und warum?«
    Rebecca nagte an ihrer Unterlippe. »Weil ich Angst um Sie habe. Ich will nicht, dass Sie verletzt … oder ermordet werden.«
    Paul fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. »Glauben Sie nicht, dass ich selbst auf mich aufpassen kann?«
    »Nein … das heißt … ich weiß es nicht«, stammelte sie. »Ich wollte Sie doch nur … Ich liebe Sie so sehr und möchte Sie nicht verlieren.«
    Na wunderbar!, dachte Paul und biss die Zähne aufeinander. Genau das hat mir noch gefehlt! »Sind Sie verrückt geworden oder einfach nur dumm?«
    Verletzt sah sie ihn an. Sie öffnete ihm ihr Herz, und er beschimpfte sie! »Machen

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