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Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Die Macht der verlorenen Zeit: Roman

Titel: Die Macht der verlorenen Zeit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: DeVa Gantt
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bemerkte.
    Blitzschnell sprang sie aus dem Bett, schlüpfte in eine Reithose und schob ihre Locken unter Josephs Kappe, die sie ihm gestern entwendet hatte. Aus der Entfernung würde sie jeder für einen Jungen halten. Sie schlich auf Zehenspitzen in den Flur und lief über die Treppe hinter den Räumen ihres Vaters nach unten und quer über die Wiese zum Stall. Das Wetter war stürmisch. Zum Glück waren fast alle Stallknechte in der Stadt unterwegs. Nur Gerald hielt in der Sattelkammer ein Schläfchen. Yvette sattelte Spook, und als sie das Pony aus dem Stall führte, bemerkte sie den Wagen, der wie immer am Zaun auf ihre Stiefmutter wartete.
    Rasch schwang sie sich in den Sattel und trieb Spook in leichtem Trab zum Tor hinaus. An einer Stelle mit dichtem Unterholz stieg sie ab und führte das Pony ins Dickicht, um auf Agatha zu warten.
    Ungefähr fünfzehn Minuten später verriet rhythmisches Hufgetrappel und leises Quietschen das Nahen der Kutsche. Aus ihrem Versteck sah sie, wie Agatha das Pferd mit der Peitsche antrieb. Als der Wagen um die nächste Biegung verschwand, kroch Yvette aus dem Unterholz, schwang sich in den Sattel und gab dem Pony die Sporen, bis sie Agathas Kutsche in einiger Entfernung vor sich sah. Von da an folgte sie ihr in sicherem Abstand. Nach ungefähr einer Meile bog der Wagen in den Waldweg ein, der zu dem kleinen Häuschen von Father Benito führte. Yvette war überrascht. Warum besucht Auntie Agatha Father Benito?
    Sie zügelte Spook, als Agatha ein Stück vor ihr aus dem Wagen stieg und mit einer Börse in der Hand das kleine Haus betrat. In ausreichender Entfernung band Yvette das Pony hinter einem Dickicht an einen Baum und schlich vorsichtig näher. Auf einer Seite des Häuschens befand sich ein Fenster, unter dem ein paar Weidenkörbe und verschiedene andere Dinge lagen. Kurzerhand kletterte Yvette auf den Stapel und spähte vorsichtig durchs Fenster. Leider war es geschlossen, sodass sie nur leises Stimmengemurmel hörte und durch einen Schlitz im Vorhang lediglich ein kleines Stück der Küche und des Wohnraums einsehen konnte. Offenbar stritten Agatha und der Pater heftig miteinander. Yvette hielt den Atem an und mühte sich, wenigstens einige Worte zu verstehen. Benito nahm Agatha den Beutel aus der Hand und öffnete ihn. Die Schmuckstücke funkelten.
    Mit einem Mal geriet der Stapel unter Yvettes Füßen ins Schwanken, sodass sie zu Boden fiel. Blitzschnell rappelte sie sich auf und rannte zu einem kleinen Schuppen, hinter dem sie sich versteckte. Sie betete inständig, dass der Priester nicht auf die Idee kam, hinter dem Schuppen nachzusehen. Verstohlen spähte sie um eine Ecke und sah, wie Father Benito um das Häuschen herumging und nachdenklich die umgestürzten Körbe betrachtete. Agatha folgte ihm. Misstrauisch sah sich Benito nach allen Seiten um, dann blickte er zur Straße hinüber und schließlich fixierte er Agatha.
    »Wahrscheinlich war es der Wind«, vermutete Agatha. Benito bedachte sie mit einem vielsagenden Blick, bevor er in sein Häuschen zurückkehrte und die Tür hinter sich ins Schloss warf. Agatha ging zu ihrem Wagen.
    Da der Priester sicherlich aus dem Fenster sah, rannte Yvette noch etwas tiefer in den Wald, bevor sie sich zwischen Gestrüpp und Beerenranken hindurch bis ihrem Pony durchschlug. Auf der Straße trieb sie Spook zu einem wilden Galopp. Kurz darauf bemerkte sie das Fehlen ihrer Reitgerte. Sie zuckte die Schultern. Das war nicht zu ändern. Vermutlich hatte sie die Gerte irgendwo unterwegs verloren. Auf jeden Fall musste sie beim nächsten Ausritt daran denken und jammern, dass sie ihre Gerte verlegt hätte. Alles in allem war sie kaum mehr als eine Stunde unterwegs gewesen. Als Nana Rose wieder nach ihr sah, lag sie brav und unschuldig unter der Decke und erklärte, dass ihr das Schläfchen geholfen hätte. Sie fühle sich sehr viel besser und verspüre wahren Heißhunger.

    Sonntag, 28. Januar 1838
    Geräuschvoll klappte Paul die Akten zu. Zwei Stunden lang hatte er mit seinem Vater über den Unterlagen gebrütet, doch nun wollte er den Tag endlich mit angenehmem Nichtstun ausklingen lassen. Gestern Abend war er nach einer harten Woche erst sehr spät von Espoir zurückgekommen, und heute Morgen hatte er Charmaine und seinen Schwestern noch vor der Messe einen gemeinsamen Nachmittag in Aussicht gestellt. Es wurde Zeit, dass er sein Versprechen einlöste.
    »Eines noch«, sagte Frederic, als Paul aufstand.
    Sein Vater machte ein besorgtes

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