Die Macht der verlorenen Zeit: Roman
wurde Agatha bei ihrer Ankunft auf der Insel plötzlich mit Colette Duvoisin bekannt gemacht. Während Paul in Paris studierte, war sie fast vier Jahre lang nicht nach Charmantes gereist und umso entsetzter, als Frederic plötzlich eine vierunddreißig Jahre jüngere Frau geheiratet hatte. Eine Blitzhochzeit, wie alle sagten. Doch Robert mutmaßte etwas anderes, da Colette ursprünglich an Johns Arm nach Charmantes gekommen war. Aber Agatha hörte ihm nicht zu. Sie erschauderte, wenn sie an die Begrüßung dachte und an Frederics wilde Liebe für seine junge Frau, die ihm ins Gesicht geschrieben stand. Er beachtete Agatha kaum … dabei brannte sie vor Hass. Elizabeth war zurückgekehrt, und die Schlacht um Frederic war aufs Neue entbrannt.
Agatha besprach sich mit Robert, doch der zuckte nur die Schultern. »Er ist jetzt mit ihr verheiratet. Dagegen kannst du nichts ausrichten.«
»Wirklich nicht? Siehst du denn nicht, dass sie eine Wiedergeburt von Elizabeth ist?«
Er lachte ungläubig. »Mach dich nicht lächerlich!«
»Doch, Robert. Colette ist Elizabeth, und Frederic sieht das auch so. Das erkenne ich an seinen Augen! Sie ist zurückgekommen, um …«
»Um was, Agatha?«
»Um mich … und Paul auszustechen … und das Verhältnis zwischen John und Frederic zu kitten!«
»Du irrst dich, meine Liebe, du irrst dich sogar sehr.«
»Begreifst du es denn nicht? John hat ihm seine Elizabeth gestohlen, und jetzt hat er sie ihm zurückgebracht!«
Robert lachte lauthals. »Johns und Frederics fragwürdiges Verhältnis ist soeben endgültig zerbrochen. John hasst seinen Vater und hat Charmantes für immer verlassen. Wenn du Frederic so sehr hasst, wie du sagst, dann müsstest du jetzt eigentlich zufrieden sein. Wenn du Colette als Keil zwischen den beiden Männern benutzt, könnte Frederic womöglich John enterben, und somit würde sein Vermögen an Paul fallen. Die Chancen dafür stehen jedenfalls besser als für deine anderen Intrigen.«
Zutiefst deprimiert kehrte Agatha nach England zurück, und Thomas konnte sich ihre gedrückte Stimmung nicht erklären. Der Tod seines Vaters und die Versorgung seiner Mutter nahmen ihn so sehr in Anspruch, dass Agatha Zeit und Muße fand, um dieses neue Missgeschick gründlich zu überdenken.
Als sie einige Zeit später erfuhr, dass die Dinge zwischen Frederic und Colette nicht zum Besten standen, besserte sich ihre Stimmung zusehends. Während der Wehen hat sie wieder und wieder nach John gerufen, obwohl Frederic an ihrem Bett saß , hatte Robert geschrieben.
Sie begriff schnell, welche Möglichkeiten in der Erkundung des intimen Verhältnisses der beiden schlummerten, aber dazu musste sie zuerst in Frederics Bett zurückkehren. Und das war einfacher als erwartet. Robert bereitete den Boden, indem er bei jeder sich bietenden Gelegenheit sein Mantra vor dem Paar wiederholte: Keine weiteren Schwangerschaften mehr .
Bei ihrem nächsten Besuch auf Charmantes stellte Agatha fest, dass die beiden nicht mehr miteinander schliefen. Aber das Rätsel ließ sich nicht völlig lösen. Frederic gelüstete es sichtlich nach seiner jungen Frau, und Agathas Gespür sagte ihr, dass auch Colette ihren Mann begehrte. Und doch hielten sie sich voneinander fern. Aber warum? War das alles wirklich Johns Schuld?
Agatha nutzte Frederics Verzweiflung und verführte ihn, bevor er später in Colettes Bett zurückkehrte. Danach folgte die Affäre der jungen Frau mit John, und Frederic zog sich zurück und berührte seine Frau kein einziges Mal mehr.
Agatha überlegte, an welchem Punkt sie versagt hatte. Irgendwie hatte Elizabeth trotz allem gewonnen. Zuerst im Tod, dann im Leben und nun erneut im Tod. Sie rieb sich die Stirn. Ihr Kopf schmerzte so unendlich, dass sie um ihren Verstand fürchtete. Sie schloss die Augen … und sah, wie sich die karamellbraunen Augen ihrer Schwester meerblau verfärbten und sie höhnisch anstarrten.
Ich bin noch nicht besiegt, Elizabeth. Frederic hat mir zuerst gehört, und ich habe sein Bett öfter geteilt als du und Colette zusammen! Er wird begreifen, dass ich alles nur für ihn, für unseren Sohn und für unsere unvergängliche Liebe getan habe.
Samstag, 25. August 1838
Paul hatte ein leichtes Abendessen zu sich genommen und sich gerade in sein Arbeitszimmer zurückgezogen, als plötzlich die Tür aufflog. Im schwachen Licht der Lampe erkannte er die Silhouette seiner Mutter.
»Frederic?«, fragte Agatha mit sanfter Stimme. »Bist du das?«
Als sie näher
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