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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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möchte.«
    Marcella wirft einen Blick auf die Akten, die sich in ihrem Eingangskorb türmen. »Kein Problem. Worum geht’s?«
    Â»Kindesmißbrauch. Wir haben eine Blutprobe, und wir haben Sperma auf einer Unterhose. Ich bin keine Expertin, aber die Ergebnisse sehen ziemlich überzeugend aus.«
    Â»Aha. Ich vermute mal, sie passen Ihnen nicht in den Kram, und Sie glauben, die vom Kriminallabor haben Mist gebaut.«
    Â»Ehrlich gesagt, passen sie mir sehr wohl in den Kram. Ich will nur absolut auf Nummer Sicher gehen.«
    Â»Hört sich ja ganz so an, als wollten Sie dem Typ richtig an den Kragen«, sinniert Marcella.
    Es entsteht eine Pause. »Er ist tot«, sagt Nina. »Ich habe ihn erschossen.«

    Caleb hackt für sein Leben gern Holz. Er mag den Moment, wenn man die Axt hebt, um sie dann nach unten sausen zu lassen. Er mag das Geräusch, wenn ein Scheit gespalten wird, ein scharfes Knacken, und dann das hohle Pling der beiden Hälften, die rechts und links zu Boden fallen. Er mag den Rhythmus, der Denken und Erinnern auslöscht.
    Vielleicht ist er, wenn kein Holz zum Spalten mehr da ist, bereit, wieder ins Haus zu gehen und seiner Frau gegenüberzutreten.
    Ninas Zielstrebigkeit hat ihm, einem Mann, der in so vielen Dingen von Natur aus eher zögerlich ist, immer imponiert. Aber jetzt ist die Kehrseite dessen so kraß zutage getreten, daß es schon fast grotesk wirkt. Sie kann einfach nicht loslassen. Sie hat das, was sie getan hat, so umgedeutet, daß es zumindest ihr sinnvoll erscheint, wenn schon niemandem sonst. Sie behauptet, sie hat einen Mann getötet, um Nathaniel zu schützen? Nun, wie traumatisch es für den Jungen auch gewesen wäre, in den Zeugenstand zu müssen, der Anblick, wie seine Mutter mit Handschellen gefesselt und ins Gefängnis verfrachtet wird, der wird für ihn wohl um einiges schlimmer sein.
    Caleb weiß, daß Nina von ihm Bestätigung haben möchte, aber er kann das nicht für sie tun. Er kann ihr nicht in die Augen sehen und sagen, ja, ich verstehe dich. Er kann ihr nicht einmal in die Augen sehen.
    Er fragt sich, ob er vielleicht deshalb eine Mauer zwischen ihnen beiden errichtet, damit es ihm leichter fällt, sie gehen zu lassen, wenn sie verurteilt ist.
    Caleb nimmt einen weiteren Scheit und stellt ihn auf den Hackblock. Als die Axt fällt, spaltet sie das Holz in zwei gleiche Hälften, und in der Mitte sitzt die Wahrheit. Caleb fühlt sich durch das, was Nina getan hat, nicht moralisch überlegen. Nein, er fühlt sich wie ein Feigling, weil er nicht so mutig war, die Grenze vom Gedanken zur Tat zu überschreiten.

    An manches kann Nathaniel sich nicht mehr erinnern – zum Beispiel, was er gesagt hat, als Nathaniel den Kopf geschüttelt hat. Oder wer von ihnen beiden ihm die Jeans aufgeknöpft hat. Woran er sich manchmal erinnern kann, auch wenn er ganz feste versucht, nicht dran zu denken, ist, daß die Luft sich kalt anfühlte, als seine Hose nach unten rutschte, und daß seine Hand danach ganz heiß war. Daß es weh tat, ganz schlimm weh, obwohl er doch gesagt hatte, es würde nicht weh tun. Daß Nathaniel Esme so fest gedrückt hat, daß sie aufschrie. Daß er im Spiegel ihrer goldenen Augen einen kleinen Jungen sah, der nicht mehr er selbst war.

    Nina wird sich freuen.
    Das ist Marcellas erster Gedanke, als sie die DNA -Resultate durchsieht und feststellt, daß der Spermafleck und das Blut des Priesters sich in nichts unterscheiden. Im Zeugenstand würde das kein Wissenschaftler so formulieren, aber die Zahlen – und die Statistiken – sprechen für sich. Das ist der Täter, keine Frage.
    Sie greift zum Telefon, um es Nina zu sagen, klemmt sich den Hörer zwischen Schulter und Ohr, damit sie mit beiden Händen das dicke Gummiband um die medizinischen Unterlagen spannen kann, die zusammen mit dem Laborbericht gekommen sind. Die hat Marcella sich nicht durchgesehen, denn nach dem, was Nina erzählt hat, ist der Priester eindeutig an der Schußwunde gestorben. Aber dennoch, Nina hat Marcella um besondere Gründlichkeit gebeten. Sie seufzt, legt den Hörer wieder auf und öffnet den dicken Ordner.
    Zwei Stunden später hat sie alles gelesen. Und ihr wird klar, daß sie trotz ihres festen Vorsatzes, nicht mehr in ihre alte Heimat zurückzukehren, nach Maine fahren wird.

    Innerhalb von nur einer Woche habe ich folgendes gelernt:

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