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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Tugendamt oder als Amt für Mißbraucherschutz. In dem letzen Fall, bei dem ich mit Monica zusammengearbeitet habe, war das Opfer ein Junge mit einer oppositionellen Verhaltensstörung – und genau diese Störung hinderte uns letztlich daran, seinen Peiniger gerichtlich zu belangen.
    Sie steht auf, die Hände ausgestreckt, als wäre sie meine beste Freundin. »Nina … es tut mir ja so leid.«
    Meine Augen sprühen Funken, mein Herz ist hart wie ein Diamant. Ich falle nie auf eine solche Gefühlsduselei herein. »Was können Sie für mich tun, Monica?« frage ich schroff.
    Die Psychiaterin ist sichtlich schockiert.
    Â»Ach, Nina. Ich wünschte, ich könnte mehr tun.«
    Â»Das wünschen Sie immer«, sage ich, und jetzt mischt Caleb sich ein.
    Â»Entschuldigung, aber ich glaube, wir kennen uns noch nicht«, murmelt er und drückt warnend meinen Arm. Er gibt Monica die Hand, begrüßt Dr. Robichaud und bringt Nathaniel dann in die Spielecke.
    Â»Ms. LaFlamme ist die für Nathaniel zuständige Sozialarbeiterin«, erläutert Dr. Robichaud. »Ich dachte, Sie würden sie gern kennenlernen und sich von ihr ein paar Fragen beantworten lassen.«
    Â»Ich habe eine«, sage ich prompt. »Was kann ich machen, damit sich das Jugendamt hier raushält?«
    Dr. Robichaud wirft zuerst Caleb einen nervösen Blick zu, dann mir. »Rechtlich –«
    Â»Danke, aber was die rechtliche Seite angeht, bin ich einigermaßen auf dem laufenden. Sehen Sie, das war eine Fangfrage. Tatsache ist nämlich, daß das Jugendamt sich ohnehin immer aus allem raushält.« Ich kann mich nicht beherrschen. Monica hier zu sehen ist einfach zu seltsam, als wären meine Arbeit und mein Privatleben durch dasselbe Loch in der Zeit gestürzt. »Ich nenne Ihnen einen Namen und sage Ihnen, was die betreffende Person getan hat … und dann können Sie Ihre Arbeit tun?«
    Â»Nun ja«, sagt Monica, und ihre Stimme ist süß wie Karamel. Ich hab Karamel noch nie gemocht. »Zugegeben, Nina, ein Opfer muß zunächst einen Täter identifizieren, bevor wir –«
    Ein Opfer. Sie hat Nathaniel auf irgendeinen der zahllosen Fälle reduziert, die ich im Laufe der Jahre bearbeitet habe. Und genau deshalb, so wird mir klar, hat mich der Anblick von Monica LaFlamme hier in Dr. Robichauds Büro so aus der Fassung gebracht. Es bedeutet nämlich, daß Nathaniel zu einem Aktenzeichen in einem System geworden ist, das ihn mit Sicherheit enttäuschen wird.
    Â» Das ist mein Sohn «, sage ich durch zusammengepreßte Zähne. »Eure Vorschriften interessieren mich nicht. Es interessiert mich nicht, daß ihr noch keinen Tatverdächtigen habt. Dann geht meinetwegen die gesamte Bevölkerung von Maine systematisch nach dem Ausschlußverfahren durch. Aber tut was, Monica. In Gottes Namen, tut was .«
    Die anderen starren mich stumm an. Ich blicke zu Nathaniel hinüber – der mit Bauklötzen spielt, obwohl ihm verdammt noch mal keiner dieser braven Menschen, die seinetwegen hier zusammengekommen sind, dabei zusieht – und stürme aus dem Raum.
    Dr. Robichaud holt mich auf dem Parkplatz ein. Ihre Absätze klappern auf dem Asphalt, und ich rieche, daß sie sich eine Zigarette anzündet. »Auch eine?«
    Â»Ich rauche nicht. Aber danke.«
    Wir lehnen uns gegen ein Auto, das nicht meines ist. Ein schwarzer Cameo, mit flauschigen, bunten Würfeln am Rückspiegel.
    Â»Sie klingen ein wenig … überreizt«, sagt Dr. Robichaud.
    Ich muß lachen. »Gehört ein Grundkurs im Untertreiben auch zum Medizinstudium?«
    Dr. Robichaud nimmt noch einen letzten Zug, dann tritt sie die Zigarette unter ihrem spitzen Absatz aus. »Ich weiß, das wollen Sie jetzt nicht hören, aber in Nathaniels Fall ist die Zeit nicht ihr Feind.«
    Das kann sie nicht wissen. Vor einer Woche kannte sie Nathaniel nicht einmal. Sie sieht ihn nicht jeden Morgen an und erinnert sich an den kleinen Jungen, der so ganz anders war, der so viele Fragen stellte, daß ich mir sogar manchmal Ruhe und Stille wünschte.
    Â»Er wird wieder zu Ihnen zurückkommen, Nina«, sagt Dr. Robichaud leise.
    Ich blinzle in die Sonne. »Zu welchem Preis?«
    Darauf hat sie keine Antwort. »Nathaniel wird jetzt durch seine Psyche geschützt. Er denkt bei weitem nicht so viel an das, was geschehen ist, wie

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