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Die Macht des Zweifels

Titel: Die Macht des Zweifels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jodi Picoult
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Ermittlungen leitete. Ich hielt ihr meinen üblichen Vortrag, daß wir abwarten müßten, welche Informationen Ms. LaFlamme Eli entlocken könne, fürs Protokoll.
    Wir sahen zu, wie Monica Eli bat, sich hinzusetzen.
    Â»Nein«, sagte er und fing an, im Kreis zu rennen.
    Â»Eli, du mußt dich jetzt mal hier hinsetzen. Machst du das bitte?«
    Eli hob einen Stuhl hoch und warf ihn in die Ecke. Mit unglaublicher Geduld holte Monica den Stuhl und stellte ihn neben ihren. »Eli, bitte setz dich mal einen Moment zu mir, und dann gehen wir deine Mommy holen.«
    Â»Meine Mommy soll jetzt kommen. Ich will nicht hier sein.«
    Aber dann setzte er sich doch.
    Monica deutete auf den Regenbogen. »Kannst du mir sagen, was das da für eine Farbe ist?«
    Â»Rot.«
    Â»Sehr gut! Und die Farbe da?« Sie zeigte auf den gelben Streifen.
    Eli verdrehte die Augen in ihre Richtung. »Rot«, sagte er.
    Â»Ist das Rot, oder ist das eine andere Farbe als bei dem ersten Streifen?«
    Â»Meine Mommy soll kommen«, schrie Eli. »Ich will nicht mit dir reden. Du bist eine fette alte Kuh.«
    Â»Gut«, sagte Monica ruhig. »Willst du deine Mommy holen?«
    Â»Nein, meine Mommy soll nicht kommen.«
    Nach weiteren fünf Minuten beendete Monica das Gespräch. Sie blickte in meine Richtung zur Scheibe und zog achselzuckend die Augenbrauen hoch. Sofort beugte Mrs. Grady sich vor. »Wie geht es jetzt weiter? Wird ein Gerichtstermin festgelegt?«
    Ich atmete tief durch. »Ich weiß nicht genau, was Ihrem Sohn zugestoßen ist«, sagte ich diplomatisch. »Wahrscheinlich ist er mißbraucht worden. Sein Verhalten deutet jedenfalls darauf hin. Und ich denke, Sie sollten den Umgang Ihres Mannes mit Eli sehr genau beobachten. Aber leider können wir diesen Fall nicht strafrechtlich verfolgen.«
    Â»Aber … aber Sie haben es doch gerade selber gesagt. Er ist mißbraucht worden. Was muß denn noch passieren?«
    Â»Sie haben gesehen, wie Eli sich verhält. Er kann unmöglich in einen Gerichtssaal gehen, sich auf einen Stuhl setzen und Fragen beantworten.«
    Â»Wenn Sie ihn öfters sehen würden –«
    Â»Mrs. Grady, es geht nicht nur um mich. Er wird auch die Fragen des Verteidigers und des Richters beantworten müssen, und nur wenige Meter von ihm entfernt werden noch dazu Geschworene sitzen und ihn anstarren. Sie können besser als jeder andere beurteilen, was Eli für Verhaltensprobleme hat, weil Sie tagtäglich mit ihm zu tun haben. Aber leider funktioniert unser Rechtssystem nicht für Menschen, die nicht imstande sind, sich innerhalb des vorgegebenen Rahmens verständlich zu machen.«
    Das Gesicht der Frau war kalkweiß. »Und … was machen Sie in solchen Fällen? Wie schützen Sie Kinder wie Eli?«
    Ich wandte mich wieder dem Einwegspiegel zu, hinter dem Eli soeben Buntstifte zerbrach. »Wir können es nicht«, gab ich zu.

    Ich fahre im Bett hoch, mein Herz rast. Ein Traum. Es war nur ein Traum. Mein Herz klopft wie wild, Schweiß bedeckt mich wie ein Schleier, aber im Haus ist es ruhig.
    Caleb liegt auf seiner Seite, das Gesicht mir zugewandt, und atmet tief. In seinem Gesicht glänzen silbrige Spuren. Er hat im Schlaf geweint. Ich lege eine Fingerspitze auf seine Tränen, führe sie zum Mund. »Ich weiß«, wispere ich und liege dann den Rest der Nacht wach.

    Als die Sonne aufgeht, döse ich ein und stelle beim Aufwachen fest, daß der erste winterliche Frost da ist. Er kommt früh in Maine, und er verändert die Landschaft. Die Welt ist über Nacht weißgrau und stachelig geworden.
    Caleb und Nathaniel sind nirgendwo zu finden. Das Haus ist so leise, daß ich mein eigenes Blut rauschen höre, während ich mich anziehe und nach unten gehe. Die Kälte kriecht durch den Spalt unter der Tür und wickelt sich um meine Knöchel, während ich eine Tasse Kaffee trinke und auf den Zettel starre, der auf dem Tisch liegt. WIR SIND IN DER SCHEUNE .
    Als ich zu ihnen gehe, rühren sie gerade Mörtel an. Eigentlich ist es nur Caleb. Nathaniel kauert auf dem Boden der Werkstatt und legt mit Ziegelstückchen die Umrisse des schlafenden Hundes nach. »Morgen«, grinst Caleb und blickt auf. »Wir bauen heute eine Ziegelmauer.«
    Â»Das sehe ich. Hat Nathaniel seine Mütze und Handschuhe? Es ist draußen zu kalt für –«
    Â»Alles da.« Caleb

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