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Die Macht

Die Macht

Titel: Die Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vince Flynn
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beisammen und versuchten ihre Probleme zu lösen. Sie liefen nicht einfach weg, so wie Anna, die ihm nicht einmal die Möglichkeit gegeben hatte, alles zu erklären.
    Er sagte sich immer wieder, dass er nicht über sie urteilen sollte, bevor er sich nicht beruhigt hatte, doch er konnte einfach nicht anders. Je öfter er daran dachte, wie sie aus dem Hotelzimmer gestürmt war, umso mehr ärgerte es ihn. Er fragte sich, ob er mit so einer Frau überhaupt verheiratet sein wollte – und es machte ihm Angst, dass er die Antwort nicht wusste. Er liebte sie so sehr, dass es wehtat. Es schmerzte umso mehr, nachdem sie so nahe an einer gemeinsamen Zukunft gewesen waren – doch dann kam dieser verhängnisvolle Abend in Mailand, der den Traum zerplatzen ließ.
    Rapp war ein Mensch, der in seinem Leben kein Grau ertrug. Für ihn gab es nur Schwarz oder Weiß. Grau bedeutete Unentschlossenheit – und Unentschlossenheit brachte einem in dem Geschäft, in dem er tätig war, oft den Tod. Das Flugzeug schwebte nun knapp über der Rollbahn dahin. Er war fast daheim auf amerikanischem Boden. Die Räder des Fahrwerks setzten sanft auf dem Asphalt auf, und Rapp fasste einen Entschluss, wie er weiter vorgehen würde.
    Anna würde erst einmal warten müssen. Er wollte aus seinem Job aussteigen, aber er konnte Irene Kennedy jetzt nicht im Stich lassen. Sie war seine Freundin, und im Gegensatz zu Anna lief er nicht einfach weg. Er musste diese Sache zu Ende bringen, und dann würde er zu Anna gehen und ihr alles erklären. Und wenn sie ihn wirklich liebte, würde sie seine Entschuldigung annehmen und sich ihrerseits entschuldigen. Wenn nicht, dann musste er sich – so schmerzhaft es auch sein mochte – sagen, dass es wohl besser so war. Er würde ohne sie weiterleben müssen.

29
    Andrews Air Force Base, Freitagmorgen
    Irene Kennedy sah auf ihre Uhr. Sie stand an der Tür eines großen Flugzeughangars, während ihre gepanzerte Limousine etwa zehn Meter entfernt geparkt war. Ihr Sicherheitsmann stand entspannt gegen den großen schwarzen Benzinschlucker gelehnt und wartete. Sie trank heißen schwarzen Kaffee aus einem großen Becher und blickte auf das Rollfeld hinaus. Die Sonne war noch nicht aufgegangen, und obwohl langsam der Winter nahte, war es noch erstaunlich mild. Ein tief liegender Nebel hüllte die Bäume am Ende des Rollfelds ein. Die Andrews Air Force Base war im Allgemeinen ein überaus belebter Ort, doch in dem Abschnitt, wo sich Irene Kennedy aufhielt, war es ziemlich still. Der Hangar, den die CIA von der Air Force gemietet hatte, lag in einem entlegenen Teil des Stützpunkts.
    Um 7.00 Uhr würde eine Sitzung im Pentagon stattfinden, und sie musste noch kurz mit Rapp sprechen, bevor ihn die Jungs von den Special Forces mit ihrem Anliegen bearbeiteten. Es galt nicht nur die Irak-Sache zu besprechen, sondern sie brauchte auch noch weitere Informationen über die Angelegenheit rund um Donatella Rahn und Ben Freidman. Rapp hatte ihr bisher kaum Einzelheiten mitgeteilt. Sie hatte angenommen, dass er ihr Näheres berichten würde, sobald das Flugzeug über dem Atlantik war, doch sie hatte sich geirrt. Was immer Rapp über den Chef des Mossad zu sagen hatte – er traute nicht einmal den sicheren Kommunikationsanlagen der Air Force, und sie konnte ihm deshalb auch keinen Vorwurf machen. Informationen dieser Art musste man nicht nur vor neugierigen Ausländern, sondern auch vor gewissen Gruppen im eigenen Land geheim halten. Als Irene versucht hatte, ihm weitere Details zu entlocken, hatte er nur ein Wort gesagt: Pollard. Die Anspielung war unzweideutig: Jonathan Pollard war ein Amerikaner, der in den Achtzigerjahren als Spion für Israel enttarnt worden war. Israel war überaus geschickt darin, Agenten in den USA zu rekrutieren, und Irene Kennedy war überzeugt, dass noch mehr von dieser Sorte herumliefen.
    Es war sehr menschlich, zu glauben, dass nur andere Leute Probleme hatten. Manche Eltern konnten es gar nicht glauben, wenn sie hörten, dass ihr kleiner Liebling in der Schule Ärger machte. So etwas machten doch nur die Kinder anderer Leute. In Geheimdienstkreisen war es ganz genauso. Wenn in der Navy ein Spion enttarnt wurde, dann schüttelte man in der Air Force, der Army, in der CIA und beim FBI den Kopf und sagte: »Die haben mal wieder Mist gebaut.« Irene Kennedy sah das Ganze realistisch. Alle spionierten, und das hieß umgekehrt, dass alle ausspioniert wurden. Sie erinnerte sich an die dunklen Zeiten in Langley, als

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