Die Macht
antwortete Freidman mit besorgtem Blick.
»Können Sie darüber sprechen?«
»Es geht um den Irak. Sie werden es ohnehin bald erfahren – aber sprechen wir jetzt nicht über meine Probleme. Sagen Sie mir doch zuerst, was Sie auf dem Herzen haben.« Freidman war ein Pitbullterrier von einem Mann – und zwar sowohl, was seine Persönlichkeit als auch den Körperbau betraf. Er war aggressiv, zäh und treu. Wenn man ihn zum Feind hatte, musste man ihn fürchten, aber wenn man seine Sympathie genoss, konnte man sich in jeder Hinsicht auf ihn verlassen. Freidmans Liebe gehörte in allererster Linie seinem Vaterland und in zweiter Linie all jenen, die mithalfen, Israels Sicherheit zu garantieren. Senator Clark fiel in diese Kategorie.
Freidman bevorzugte eher legere Kleidung; am liebsten trug er nur eine Anzughose und ein kurzärmeliges Hemd. Der einen Meter achtundsiebzig große Geheimagent, der gut fünfundzwanzig Kilo Übergewicht mit sich herumschleppte, ließ das Hemd meistens aus der Hose heraushängen. Er fand es in der oftmals drückenden Hitze von Tel Aviv bequemer so, doch es war auch insofern praktisch, als er darunter die Pistole verbergen konnte, die er stets in einem Holster am Rücken trug. Freidman war 1949 in Jerusalem zur Welt gekommen, also gerade noch rechtzeitig, um sich in den ruhmreichen Tagen des Sechstagekriegs von 1967 hervorzutun. Er gehörte einer Fronteinheit an, die in den ersten Stunden des Krieges überrollt wurde. Doch anstatt abzuwarten, bis die israelischen Verteidigungskräfte die Ägypter wieder über die Grenze zurückgetrieben hatten, beschloss er zusammen mit zwei Kameraden, entgegen der Anweisung seines Kommandeurs etwas zu unternehmen. Es gelang ihnen, in einen mobilen ägyptischen Kommandoposten einzudringen und dem Feind großen Schaden zuzufügen. Seine kühne Tat blieb nicht unbemerkt, und nach dem Krieg sicherte sich der israelische Militärgeheimdienst AMAN seine Dienste. Mit dreißig war Freidman bereits Oberst und galt als ein Mann, der immer einen Weg fand, seine Aufgaben zu lösen. Es war deshalb kein Wunder, dass der Mossad auf ihn aufmerksam wurde und ihn für sich gewann.
In den beiden folgenden Jahrzehnten wurde Freidman zu einer Art Legende innerhalb des Mossad. Was viele besonders erstaunlich fanden, war seine fast unheimliche Fähigkeit, peinliche oder unangenehme Situationen zu vermeiden. Ob es nun Glück war oder Schlauheit, vermochte niemand zu sagen, doch Ben Freidman gelangte jedenfalls bis an die Spitze eines der erfolgreichsten Geheimdienste der Welt. Er war ein Mann, der respektiert und gefürchtet wurde. Es verging kaum einmal ein Monat, in dem der Direktor des Mossad nicht am Tod irgendeines Menschen beteiligt war.
Freidman nahm einen Schluck von seinem polnischen Wodka und sah seinen Gast an, der möglicherweise gekommen war, weil er einen jener heiklen Jobs erledigt haben wollte, für die man einen Spezialisten wie den Chef des Mossad brauchte. Freidman neigte den Kopf zur Seite und fragte den Vorsitzenden des Geheimdienstausschusses im Senat: »Also, was haben Sie auf dem Herzen, mein Freund?«
»Oh, so einiges, aber eine Sache ganz besonders.«
»Dr. Kennedy?«
»Hmmm … ja und nein. Sie ist sehr wohl ein Thema, aber es gibt im Moment ein viel wichtigeres.«
Ein schelmisches Lächeln erschien auf Freidmans Lippen. »Mr. Rapp?«, fragte er kopfschüttelnd. »Ich habe Sie ja gewarnt. Der Mann ist einfach zu gefährlich.«
»Ja, damit hatten Sie durchaus Recht, aber wir können die Uhr nun mal nicht zurückdrehen.« Clark zögerte einen Augenblick, so als bemühe er sich, eine unangenehme Erinnerung zu verdrängen. Freidman hatte ihn in der Tat davor gewarnt, sich mit Mitch Rapp anzulegen. Damals hatte Clark gedacht, dass Freidman ihm aus persönlicher Wertschätzung für Rapp von dem Unternehmen abriet. Das war jedenfalls die Erklärung, die Clark sich selbst gab, als er die Dummheit beging, auf Peter Cameron zu vertrauen.
Clark hatte ihn selbst angeheuert. Als hoch geachteter Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im Senat hatte er alle Informationen, die er brauchte. Er hatte Peter Cameron ausgesucht, nachdem er ihn jahrelang eingehend beobachtet hatte. Cameron hatte vierundzwanzig Jahre im Office of Security der CIA gearbeitet, der kleinen privaten Gestapo der Agency. Eine der Hauptaufgaben des Sicherheitsbüros war es, die Überwacher zu überwachen, also den Spionen auf die Finger zu sehen.
Cameron wusste Dinge und hatte Kontakte,
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