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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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lassen, als sie das von Blut durchweichte Laken sah. Sie schob das ebenfalls blutbesudelte Leinenhemd über den fülligen Leib nach oben und fand bereits bei der ersten oberflächlichen Untersuchung, was sie befürchtet hatte. Dergleichen sah sie jede Woche, und es war immer wieder schlimm.
    »Wer hat das gemacht?«, fragte sie sachlich. »Ihr selbst?«
    »Wer hat was gemacht?«, fragte Jacopo mit zusammengekniffenen Augen.
    »Geh nach Hause, Jacopo«, flüsterte Annunziata.
    »Nicht in hundert Jahren. Was ist hier los?«
    »Wie weit wart Ihr?«, fragte Sanchia, während sie aus ihrem Beutel eine Auswahl an Kräutern zusammensuchte.
    »Der Herr möge mir vergeben. Ich weiß es nicht. Kind, ich werde im Dezember achtundvierzig Jahre alt. Ich habe vor Lichtmess das letzte Mal geblutet und dachte, es bestünde keinerlei Gefahr mehr.«
    Sagredo trat vor, einen fassungslosen Ausdruck auf dem runden Gesicht. »Soll das heißen … Willst du damit sagen, du warst … Du hast …?«
    »Der Gegenstand, mit dem Ihr es getan habt – war er gereinigt?«
    Annunziata nickte mit zur Seite gewandtem Kopf. Unter ihren geschlossene Augen quollen Tränen hervor. Im nächsten Moment bäumte sie sich auf und stöhnte vor Schmerzen.
    Sanchia streckte dem Obsthändler die Kräuter hin. »Braut hieraus einen starken Sud und kommt damit wieder.«
    »Ich will hierbleiben und ihr helfen!«
    »Ihr helft ihr besser, wenn Ihr den Sud bereitet. Sie wird ihn brauchen, um das hier zu überstehen.«
    Mit zweifelnden Blicken entfernte Sagredo sich in Richtung Tür, wo er zögerte und stehen blieb. »Warum hast du dich mir nicht anvertraut?«, fragte er Annunziata.
    »Was wisst Ihr schon«, sagte Sanchia mit scharfer Stimme. »Geht und kümmert Euch um den Kräutertee!«
    Er musterte sie mit vagem Erstaunen, bevor er mit schleppenden Schritten zur Stiege ging.
    Annunziata weinte haltlos. Ihr ganzer Körper wurde von dem Schluchzen erschüttert, während sie sich gleichzeitig vor Schmerzen krümmte. Der Abort war in vollem Gange. Sanchia hoffte, dass Sagredo lange genug brauchen würde, um das Wasser zu erhitzen. Vielleicht war bis dahin alles schon vorbei.
    Die Leibesfrucht wurde tatsächlich nur wenige Minuten später ausgestoßen, mit einer Schnelligkeit, die in Anbetracht der Größe des Fötus überraschend war. Sanchia untersuchte den winzigen Körper hastig und war erleichtert, alles an einem Stück vorzufinden. Der Fötus war weiblich. Die Schwangerschaft war weiter fortgeschritten, als sie gedacht hatte, mindestens drei Monate, vielleicht sogar vier.
    »Was wäre es geworden?«, fragte Annunziata.
    »Es ist viel zu klein, um das erkennen zu können«, log Sanchia. Sie schlug das tote kleine Wesen in ein Tuch. »Kaum mehr als ein Monat, so viel ist sicher.«
    Annunziata schüttelte schluchzend den Kopf. »Glaubst du, ich habe die Anzeichen nicht erkannt?«
    »Ihr habt schon vorher ein Kind geboren.« Es war keine Frage, sondern eine Feststellung.
    »Es ist lange her, über zwanzig Jahre. Es starb auf dieselbe Weise. Aber der Körper erinnert sich.« Tränen strömten über das Gesicht der Äbtissin, und sie legte die Hand über die Augen, um ihre Qual zu verbergen.
    Sanchia überwachte die einsetzende Nachgeburt und fand auch diese vollständig vor.
    »Haltet jetzt die Luft ein«, befahl sie, bevor sie mit der Faust kräftig den unteren Teil des Bauches nach innen drückte und damit einen Blutschwall zutage förderte. Sie wartete gebannt einige Augenblicke, dann atmete sie auf, als die Blutung nachließ.
    »Ihr hattet großes Glück, Ehrwürdige Mutter. In vielen Fällen misslingt es, wenn Frauen die Abtreibung an sich selbst vornehmen. Ich habe schon viele daran sterben sehen. Wenn Ihr alles macht, was ich Euch sage, könnt Ihr wieder gesund werden.«
    »Vielleicht will ich das überhaupt nicht.«
    »Doch, das wollt Ihr. Ihr tragt Verantwortung für viele Menschen, die Euch brauchen. Und Ihr habt einen Mann, der Euch liebt.«
    Annunziata drehte sich zur Seite und weinte.
    Als Sanchia später am Tag wieder nach ihr sah, war die Äbtissin immer noch von Schmerzen gezeichnet, aber ansonsten gefasst. Sie saß zurückgelehnt in den Kissen ihres Bettes und ruhte sich aus. Der Obsthändler saß an ihrer Seite und hielt ihre Hand. Er war blass und wirkte bekümmert, doch den beiden war anzusehen, dass sie sich ausgesprochen und eine gemeinsame Basis gefunden hatten, auch wenn diese vielleicht noch zerbrechlich war.
    Diesmal verließ er den Raum,

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