Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
besser geworden war, reinigte ihre Hände und begann, Eier aufzuschlagen. Statt Zucker nahm sie für den Teig Honig, weil sie der Meinung war, dass das besser zu dem Mandelgeschmack passte. Mit Mehl, etwas Wasser und Öl, zerbröckeltem Marzipan und einer winzigen Prise Safran rührte sie flink eine geschmeidige Masse an, von der sie einen Teil in eine gefettete Tonform strich und mit halbierten Mandeln, kandierten Früchten und bunten Steinen belegte.
»Was soll das denn werden?«, fragte Sanchia verblüfft.
»Etwas Besonderes«, sagte Eleonora geheimnisvoll.
Sanchia erhob sich von dem Schemel, auf dem sie gesessen hatte. Sie betrachtete den Kuchen. »Das ist eine Zahl.«
»Richtig. Eine Dreißig. Er wird übermorgen dreißig Jahre alt.«
»Wer, Pasquale?«
»Wer sonst«, versetzte Eleonora verärgert. »Du solltest es eigentlich eher wissen als ich. Schließlich ist er sozusagen alles, was du an Familie hast.«
Sanchia schwieg betreten. Eleonora hatte Recht. Sie kannte Lorenzos Geburtstag – den 24. April –, aber nicht den von Pasquale, der nicht nur der älteste und beste Freund ihres Vaters gewesen war, sondern überdies auch der Mensch, der ihr schon mehrmals das Leben gerettet hatte.
»Wie gefällt dir die Kuchendekoration?«, wollte Eleonora wissen.
»Sie ist wundervoll«, sagte Sanchia hastig. Zögernd setzte sie hinzu: »Aber die Steine würde ich nicht drauflegen.«
»Meinst du, dass sie schmelzen könnten? Sie sind nicht echt, bloß aus Glas.«
»Das sehe ich, und es macht kaum einen Unterschied, denn so heiß wird der Backofen nicht.«
»Meinst du, weil es gegen das Gesetz ist?«
Vor ein paar Jahren war – nachdem bereits das öffentliche Tragen von echten Juwelen oder juwelenbestickter Kleidung verboten worden war – auch die Herstellung und Verwendung von Glasedelsteinen im Zuge der Anti-Luxus-Gesetzgebung unter Strafe gestellt worden, ein herber Schlag für die feinen Damen der Serenissima – jedenfalls für die wenigen, die sich daran hielten.
»Nein, dieses Gesetz ist mir egal. Aber die Giftstoffe im Glas könnten beim Backen austreten und in den Kuchen übergehen.«
»Herrje, das stimmt! Du hast mir sicher schon hundert Mal erzählt, wie viele Gifte die Glasmacher in ihre Steine mischen. Ein Wunder, dass wir nicht alle beim Tragen von Schmuck schon tot umfallen.«
»Vergiss nicht, für uns auch einen Kuchen zu machen«, befahl Deodata, eine Faust gegen ihre schmerzende rechte Gesichtshälfte gedrückt. »Oder besser zwei. Was ist schon ein Kuchen für drei Küchenmägde und eine Oberköchin und einen Ochsen von Torwächter. Und lass die Mandeln weg, ich kann sie sowieso nicht beißen. Vielleicht sollte ich ein paar von den Glassteinen lutschen. Meine Cousine schwört darauf, sie sagt, Glas hat Heilkräfte.«
Sanchia betrachtete die Schwellung in Deodatas Gesicht mit gemischten Gefühlen. Es sah ziemlich übel aus, hoffentlich rang die Köchin sich bald dazu durch, zum Barbier zu gehen. Manchmal klangen die Entzündungen von allein ab, doch in aller Regel flammten sie bald wieder auf und setzten sich dann auch leicht an anderen Stellen des Körpers fest, sodass ein schlechter Zahn rasch schlimmere Erkrankungen nach sich ziehen konnte.
Den Rest des Tages über war sie so aufgeregt, dass sie kaum stillsitzen konnte. Sie besuchte zwei alte Frauen in der Nachbarschaft des Klosters, um auf andere Gedanken zu kommen. Eine der beiden war vor drei Tagen gestürzt und hatte sich den Oberschenkel gebrochen. Sie war schon vorher hinfällig gewesen und würde wahrscheinlich das Markusfest nicht mehr erleben. Die andere war noch kränker und litt Höllenqualen. Ihr bis zum Skelett abgemagerter Körper war von Geschwülsten befallen, die sich als dicke Knoten unter der Haut abzeichneten. Beide Frauen wurden zu Hause gepflegt, unter Begleitumständen, die das bisschen Leben, über das sie noch geboten, zusätzlich erschwerten. Sie lagen in schmutzigen, abgelegenen Winkeln, wo sie mit ihrem Husten und ihrem schmerzerfüllten Stöhnen niemanden störten und nicht zu viel Platz beanspruchten. Die eine auf einem Strohsack in einem Verschlag zum Kanal hin, in Gesellschaft einer Milchziege, und die andere in einem winzigen Kellergelass, umgeben von Kohlensäcken und Krautfässern.
Sobald beide noch ein bisschen kränker wurden, würden ihre Angehörigen sie zum Sterben in ein Hospiz bringen. Da es an Geld fehlte, würde es eine Einrichtung sein, in der es nicht komfortabler zuging als zu
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