Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
gegen die Prothese. Offenbar gefiel ihm nicht, was er dort vorfand, denn er schlug knurrend die Zähne in das Holz.
Pasquale widerstand heldenhaft dem Drang, das aufdringliche kleine Ungeheuer mit einem harten Tritt gegen die Wand zu befördern.
»Lass das, Herkules«, befahl Eleonora.
Der Hund reagierte, indem er noch fester zubiss. Er würde nicht viel Schaden anrichten, aber das Gezerre machte Pasquale erst recht nervös, und am liebsten wäre er aufgesprungen und gegangen.
Wenn er ehrlich gegenüber sich selbst war, musste er zugeben, dass seine Fluchtgedanken weder durch die Umgebung hervorgerufen wurden noch von dem bissigen kleinen Mistvieh.
Es lag an ihr. Ihre Art, sich zu bewegen, mit ihm zu sprechen. Die Art, wie sie ihren Kopf zur Seite neigte, wenn sie lächelte, oder wie sie dabei mit der Hand durch ihr offenes Haar fuhr. Die Grübchen, die sich neben ihren Mundwinkeln bildeten, wenn sie richtig lachte. Von ihren vollen Brüsten, die beinahe aus dem Ausschnitt ihres Kleides kugelten, wenn sie sich vorbeugte, ganz zu schweigen.
Er nahm hastig eines der Törtchen und stopfte es sich in den Mund.
»Gut?«, fragte sie eifrig.
Er nickte kauend. Natürlich war es gut, sogar mehr als das. Er konnte sich nicht erinnern, je so köstlichen Kuchen gegessen zu haben. Außer natürlich hier. Hier gab es immer guten Kuchen. Perfekten Braten, himmlische Pasteten, göttliche Cremespeisen.
»Wieso ist Sanchia heute nicht hier?«, fragte er mit vollem Mund, nur um etwas zu sagen. Er hatte schon die ganze Zeit damit gerechnet, dass sie gleich hereinkäme, aber jetzt saß er seit einer geschlagenen Stunde hier, aß ein Törtchen nach dem anderen, und sie war noch immer nicht erschienen. Sie war auch bei seinem letzten Besuch nicht da gewesen, und allmählich beschlich ihn das Gefühl, sie würde auch heute nicht mehr kommen.
»Sie ist sicher aufgehalten worden«, sagte Eleonora. Sie beugte sich vor, und er wandte hastig die Augen zur Seite, da er fürchtete, sie würden ihm sonst noch aus dem Kopf fallen.
Sie trug ein Kleid mit gerafftem Oberteil, angesetzten kurzen Ärmeln und golddurchwirkten Schnüren. Der bernsteinfarbene, aus gekräuseltem Flor gewebte Samt hatte exakt die Farbe ihrer Augen, und das Gold der Verschnürung wiederholte sich in ihrem fein gesträhnten braunen Haar.
»Weißt du, was mein größter Wunsch ist?«, fragte Eleonora verträumt.
Pasquale verschluckte sich und schüttelte hustend den Kopf.
»Ich möchte einmal ein großes Bankett geben. Ein richtig großes, für hundert Leute oder mehr.«
»Das könntest du hier doch auch machen.«
Sie lachte. »Für die Nonnen? Du liebe Güte, das kann man nicht vergleichen! Hier gibt es Essen, das auf einem Teller Platz findet. Vielleicht noch auf zweien oder dreien, wenn man die Suppe und den Nachtisch mitzählt. Bei einem richtigen Bankett gibt es viele Gerichte, Pasquale. Unendlich viele!«
Er hatte keine Ahnung, wie ein richtiges Bankett aussah. Er aß sein Essen auch nur selten von Tellern, sondern meist zusammen mit seinem Gesinde aus einem Topf, mit dem Löffel, dem Spieß oder oft einfach mit den Händen, und dabei ging es nur darum, so viel wie möglich abzukriegen, bevor Vittore einem alles wegfraß.
»Zu einem richtigen Essen gehören nicht nur viele Gänge«, erläuterte Eleonora, »sondern auch die richtigen Bediensteten.«
»Ich nehme an, du meinst die Köche.«
»Selbstverständlich. Das müssen die Besten der Besten sein. Angefangen vom Großküchenmeister – der wäre natürlich ich.«
»Natürlich«, sagte Pasquale.
»Und mindestens drei Oberköche, mit der entsprechenden Anzahl von Unterköchen. Der Vorratsverwalter mit seinen Gehilfen. Und der Küchenaufseher mit den zahlreichen Küchenjungen und Spülmägden.«
Pasquale gab ein zustimmendes Geräusch von sich und nahm sich eine von den Pasteten, eine mit würzigem Fleisch gefüllte Leckerei.
»Aber das ist bei Weitem nicht alles. Was besonders zählt, ist das repräsentative Personal. Das wäre an erster Stelle der Großseneschall.« Sie dachte kurz nach. »Der wäre natürlich auch ich.«
»Sicherlich«, bestätigte Pasquale, weil sie das zu erwarten schien.
»Dann der Obertranchiermeister.«
»Der was ?«
»Der Obertranchiermeister«, wiederholte sie ungeduldig. »Hast du noch nie einen gesehen?«
»Wenn es bei uns was zu tranchieren gibt, mache ich das selbst.«
»Bei einem Bankett ist der Obertranchiermeister ein Künstler.« Eilig setzte sie hinzu:
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