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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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verschwinden. Ingrimmig strebte er an ihr vorbei zur Tür, die Hand schon nach dem Knauf ausstreckend, als sie ihm mit flammenden Blicken in den Weg trat.
    »O nein, Pasquale Tassini, du gehst jetzt nicht!«
    Statt sich darüber zu wundern, dass sie ihn am Gehen hindern wollte, konnte er nur einen einzigen, ziemlich unsinnigen Gedanken fassen. Sie kennt meinen Namen.
    »Seit über drei Jahren«, sagte sie mit bebender Stimme und in die Hüften gestemmten Händen, »koche ich dir Essen. Ich koche es, obwohl du oft genug an dem angekündigten Tag gar nicht auftauchst, sondern erst einen Tag oder eine Woche später. Außerdem mache ich dir zu jedem Geburtstag eine besondere Torte. Ich versuche, dich mit netten Anekdoten zu unterhalten, um einen guten Eindruck auf dich zu machen, während Sanchia in der Ecke sitzt und liest und nicht mal so tut, als würde sie sich an der Unterhaltung beteiligen. Und was machst du?« Ihre Stimme hob sich mit jedem Wort, um am Ende des Satzes beinahe überzukippen. »Du stopfst meine leckeren Gerichte in dich rein und stierst mich mit deinem einen Auge an wie ein doppelköpfiges Kalb, und hinterher stapfst du auf deinen anderthalb Beinen raus wie ein … wie ein …« Sie stockte, weil sie nicht auf den passenden Ausdruck kam, doch schon der Blick in ihren Augen machte hinreichend klar, wie es um ihren Gemütszustand bestellt war. Pasquale hatte selten einen Menschen erlebt, der so wütend war wie Eleonora Toderini in diesem Augenblick.
    »Ich … ähm, also ja … ich wollte nicht …« Mit einer ebenso lahmen wie unzureichenden Geste erfasste er die an der Wand und im Bettzeug klebenden Essensreste. »Ich helfe dir beim Saubermachen«, schloss er demütig.
    Er streckte die Hand aus, um einen Fetzen Pastenfüllung von einem kleinen Gobelin zu pflücken, doch Eleonora stieß seinen Arm beiseite. »Hör auf damit!«
    Und dann tat sie etwas, das ihn sofort in tiefste, rabenschwarze Verzweiflung stürzte: Sie fing an zu weinen. Ihre Augen, vorher schon verdächtig feucht, liefen mit einem Mal über. Zwei dicke Tränen rannen über ihre Wangen, gefolgt von einem wahren Sturzbach an Flüssigkeit. Ihr ganzes Gesicht war binnen weniger Augenblicke triefend nass. Sie macht keine Anstalten, sich die Tränen abzuwischen oder sich abzuwenden, um ihren Kummer zu verbergen, sondern blieb einfach vor ihm stehen, mit hängenden Armen und zitternden Schultern, die Augen immer noch weit offen und voller Anklagen.
    Er atmete tief und entsetzt durch, und dann brachte er endlich die nötigen Worte heraus. »Eleonora, bitte verzeih mir, dass ich dein Essen so grob behandelt habe. Es ist wirklich vorzüglich und hat es nicht verdient, auf dem Boden herumzuliegen.« Wie zum Beweis bückte er sich, um die überall klebenden Reste aufzuheben. Den knurrenden und sich wehrenden Winzling von Hund hielt er einfach mit einer Hand im Genick fest, während er mit der anderen die matschigen Brocken zusammenklaubte.
    Zu seiner Überraschung stieß Eleonora einen wütenden Schrei aus und schubste ihn zurück, bis er das Gleichgewicht verlor und mit dem Hinterteil in einem bis dahin noch ziemlich heilen Tortenstück landete. Der Hund floh sofort unter eines der Betten und kläffte ihn von dort aus empört an.
    »Was muss eine Frau eigentlich bei dir tun, damit du sie magst?«
    »Damit … ähm, damit ich sie mag ?«
    Verdattert rappelte er sich hoch, mit einer einzigen fließenden Bewegung, die er in vielen Jahren und nach unzähligen Stürzen gelernt hatte. Er wischte erfolglos an sich herum und stellte dabei fest, dass sein Hosenboden sich unangenehm feucht anfühlte.
    »Ich habe gut gekocht. Ich habe ein neues Kleid und neue Ohrringe.«
    »Das Kleid ist sehr schön«, sagte er sofort höflich.
    »Du bist ein Idiot, Pasquale Tassini«, rief sie leidenschaftlich aus. »Du bist ein dämlicher, tollpatschiger, verkrüppelter, viel zu alter Glasmacher, und ich liebe dich.«
    Er starrte sie an und merkte, wie sein Adamsapfel ins Hüpfen geriet. Plötzlich tat sein Bein so weh wie schon lange nicht mehr. Aber das war nichts gegen die Sehnsucht, die im selben Augenblick wie ein wilder Sturm über ihn hinwegbrauste.
    Vorsichtig streckte er die Hand aus, langsam und zittrig, wie ein verhungernder Bettler, der schon lange die Hoffnung nach einem rettenden Almosen aufgegeben hat. Seine Fingerspitzen fanden ihre nasse Wange und die warme, weiche Haut unter ihrem Kinn. Mit geschlossenen Augen ließ er seine Hand tiefer gleiten,

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