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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Kiste mit einer Puppe, ein Haufen Bruchglas, ein einziges echtes Fenster im Nebenraum, ein schmaler Balkon über dem Canalezzo.
    Die blonde Puppe war eine gehässige kleine Anspielung, für den Fall, dass Caterina Caloprini dieses Kabinett zu sehen bekam, wovon Pasquale mit großer Sicherheit ausging. Der Betteljunge, den er dafür bezahlte, dass er ihn regelmäßig mit allen möglichen Neuigkeiten aus der nahen Umgebung versorgte, hatte ihm hinterbracht, dass Caterina heimlich zur Ca’ Grimani fuhr. Immer in einer Gondel mit abgehängter Felze, immer tief verschleiert. Immer in Begleitung des schwarzen Sklaven, der sie herbrachte und zu festen Zeiten wieder abholte. Anschließend hatte nicht viel dazu gehört, herauszufinden, dass sie mit Enrico Grimani schlief, denn er gab bei jeder Gelegenheit damit an.
    Entweder hasserfüllt: »Wenn der arrogante Besserwisser wüsste, dass ich es mit seiner Mutter treibe, würde er vor Wut den Mond anheulen.« Oder, flüsternd: »Es sind die unaussprechlichen Dinge, die sie am liebsten mag.«
    Eher durch Zufall war Pasquale dahintergekommen, dass sie auch zu Giorgio Grimani eine sexuelle Beziehung unterhielt. Die kleine Sklavin war aus ihrer Kammer gekommen und über den Gang in einen anderen Schlafraum gehuscht, und Pasquale, der gerade die Treppe zu Enricos Schlafgemach hochgestiegen war, hatte einen Blick in das Zimmer geworfen und den Hausherrn und Caterina Caloprini in eindeutiger Pose gesehen. Er war unbemerkt geblieben, sonst hätte er sicherlich keinen einzigen Spiegel mehr hier im Haus aufgehängt, weder die großen, kostbar gerahmten Kunstwerke in der Sàla noch die kleineren, aber dafür raffinierteren Spezialspiegel im Schlafgemach von Enrico.
    Später am selben Tag saß er aufrecht auf dem Stuhl in der Kammer, die sorgfältig geschrubbten Hände vor sich auf dem Tisch gefaltet, das gesunde Bein leicht angewinkelt und den Holzfuß von sich gestreckt.
    Sie schaffte es immer irgendwie, es so einzurichten, dass er an einem mit Essen vollgepackten Tisch saß, unter dem er sein Bein verstecken konnte. Entweder in der Küche, hier im Besucherzimmer oder sogar in ihrer Kammer, so wie heute. Er war zum ersten Mal in ihrem Privatgemach.
    Pasquale hatte den vagen Verdacht, dass der Tisch sich sonst nicht in diesem Raum befand, denn es war hier auch ohne dieses Möbel beängstigend eng. Mit zwei über Kopf stehenden Betten, mehreren, teilweise gestapelten Truhen, zwei Stühlen, einem Wandschirm und einem Bord für Bücher und Schriften sowie dem zierlichen Hundekorb überkam einen schon beim Betreten des Zimmers das Bedürfnis, den Kopf einzuziehen und sich an den Wänden entlangzudrücken, um nirgends anzustoßen.
    Pasquale fragte sich mit wachsender Unruhe, was sie wohl dazu bewogen haben mochte, ihn heute in ihre Kammer zu bitten. Die ganze Einrichtung hier machte ihn nervös. Seidenvorhänge, fein geknüpfte Wandteppiche, kleine Accessoires wie Hornkämme, ziselierte Handspiegel mit Silberrücken, kristallene Kerzenhalter, Schmuckstücke wie Armbänder oder Perlen, vollendet geschliffene Parfumflakons – jedes noch so kleine Detail bewies, dass dies die Kammer einer Frau war.    
    Die Kammer zweier Frauen, genau genommen, doch sämtliche der Weiblichkeit dienenden Utensilien gehörten zweifelsfrei Eleonora, einschließlich der Törtchen und Pastetchen, die sie auf dem Tisch aufgetürmt hatte.
    Die Säcke mit den medizinisch stinkenden Kräutern, die verstöpselten Gläser mit den zweifelhaften Flüssigkeiten, die zerfledderten Folianten und die gefährlich aussehenden Instrumente auf dem Wandbord über dem schlichteren der beiden Betten waren natürlich Sanchias Besitz. Pasquale musterte das Sammelsurium auf dem Bord und überlegte, was Piero wohl dazu gesagt hätte, und zu seiner Erleichterung kam er sofort zu dem Schluss, dass es seinem Meister so gefallen hätte. Es war einer seiner Herzenswünsche gewesen, dass seine Tochter ihren Wissenshorizont erweiterte. Der Glasmacher wäre glücklich, wenn er wüsste, dass alles so gekommen war, wie er es sich ausgemalt hatte. Sie war wie Piero, genauso. Verrückt, klug, von dem Drang besessen, zu lernen und Dinge zu erreichen, die jenseits aller bekannten Vorstellungen lagen.
    In seinem Inneren brach eine wunde Stelle auf und begann zu bluten. Es war so lange her, aber er konnte es nicht vergessen.
    Der Hund wuselte unterm Tisch um sein gesundes Bein herum und schnüffelte daran herum. Anschließend stupste er mit der Nase

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