Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
Vom Netzwerk:
Alten keinen vernünftigen Grund, warum er sich ihrem Wunsch fügen und sich damit eine Menge Scherereien aufhalsen sollte.
    Der Zustimmung von Pater Alvise als zuständigem Beichtvater und Annunziata als Leiterin des Klosters mochte Eleonora gewiss sein, aber ohne ihren Großvater führte aus dem Kloster kein Weg hinaus, es sei denn durch Flucht. Ganz zu schweigen von der unseligen Tatsache, dass Pasquale ein Fall für die Justiz wäre, sobald herauskäme, dass er mit einer Nonne ins Bett ging.
    »Woran denkst du, meine Taube?« Lorenzos große Hand glitt über ihren schweißfeuchten Bauch und blieb unter ihrer rechten Brust liegen. Sie schaute an sich herab und betrachtete seine Hand, das dunkle Oliv seiner Haut dicht unter der blau geäderten, marmorweiß schimmernden Halbkugel.
    »An nichts Besonderes.« Sie spürte die Schwielen an der Innenfläche seiner Hand, Ergebnis vieler Kletterpartien in den Schiffswanten und vom Zupacken beim Löschen zahlreicher Galeerenladungen. Sie wusste, dass er körperliche Arbeit liebte und kaum eine Gelegenheit ausließ, sich auf diese Art seine Kraft zu beweisen.
    Hin und wieder ging Sanchia zur Riva degli Schiavoni und schritt die lange Reihe der dort ankernden Schiffe ab. Sie ließ sich den Geruch von Meer und Ferne in die Nase steigen und schaute den Seeleuten zu, während sie sich ausmalte, Lorenzo unter ihnen zu entdecken, damit beschäftigt, dieselben profanen Tätigkeiten zu verrichten wie die Arbeiter auf den Galeeren. Ob sie nun Fässer stapelten, Säcke schleppten, Taue rollten oder einen ihrer wüsten Gesänge anstimmten – es fiel Sanchia nicht schwer, sich ihren Liebsten mitten unter diesen Männern vorzustellen, denen er sich eher zugehörig fühlte als den geschliffenen Schönlingen in den Portegos der Mächtigen. Dennoch hatte seine Hauptaufgabe in den letzten Monaten weniger mit Handel und Seefahrt zu tun als mit einer Handwerkskunst, die weit blutiger, verschlagener und beängstigender war: dem Krieg.
    Von Rastlosigkeit erfüllt, wand sie sich aus seinen Armen und stand auf, um zum Fenster zu gehen.
    »Was ist los?«, fragte er.
    »Nichts. Es ist alles in Ordnung.«
    Von hier oben konnte sie auf einen der winzigen Kanäle hinabsehen, die den östlichen Zipfel von Cannaregio zerteilten. Es waren nur ein paar Schritte bis zur Chiesa dei Miràcoli, deren Vesperläuten sie vorhin bereits daran erinnert hatte, dass sie spät dran war. Die schräg einfallenden Strahlen der Nachmittagssonne ließen die Fassaden der gegenüberliegenden Häuserreihe pastellfarben aufleuchten. Rosa und Ocker mischten sich zu einem matten Glanz, wie von Perlen, die im Wasser schwammen. Lichtreflexe stiegen von der Oberfläche des Kanals, stahlen sich durch den Vorhangspalt und warfen sanfte Goldmuster auf die Stuckornamente der Zimmerdecke und den Spiegel neben der Tür. Golden war auch die Malerei auf dem Waschgeschirr und die Einlegearbeiten an der Kommode, beides Kostbarkeiten, die ebenso wie der Spiegel, die Daunenmatratze, die gläsernen Kerzenhalter und die Samtdraperien erst im Laufe der letzten Wochen ihren Weg in diesen Raum gefunden hatten. All diese Gegenstände waren wie Politur auf einem längst verblichenen Gemälde, ein fremdartiger Luxus in diesem uralten, schäbigen Palazzo, dessen zweite Etage Lorenzo von der halb blinden und schwerhörigen Witwe eines Tuchhändlers gemietet hatte.
    Sanchia stand am Fenster, beide Hände gegen die Brüstung gedrückt, das Haar offen über den Rücken und die Schultern herabhängend. Eine Gondel glitt unter dem Fenster vorbei, und der Bootsführer schaute am Haus hoch. Sanchia widerstand dem Impuls, zurückzuweichen. Von außen konnte man sie hier nicht sehen, die steinernen Brüstungen und die Draperien verbargen zuverlässig alle Einblicke. Dessen ungeachtet war sie sich wie immer in Lorenzos Gegenwart ihrer Nacktheit auf eine Weise bewusst, die von ihrer Mitte her eine schmelzende Hitze in ihr aufsteigen ließ, bis sich ihr ganzes Inneres anfühlte wie glühendes Wachs.
    Anfangs war es ihr schwergefallen, ihre Scham zu überwinden, und bei den ersten Malen hatte sie ständig das Bedürfnis bekämpfen müssen, ihren Körper vor seinen Blicken zu verstecken. Inzwischen verlangte es sie danach, dass er sie ansah, so wie sie auch ihn in jedem wachen Augenblick mit allen Sinnen wahrnahm, gleichgültig, ob sie nackt oder bekleidet waren.
    Sie drehte sich zu ihm um und betrachtete ihn. Er lag mit träge ausgestreckten Gliedern auf der

Weitere Kostenlose Bücher