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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Vormittag in Scharen über die Brücke zur Riva degli Schiavoni strömten oder umgekehrt von dort über die Mole auf die Piazetta, die wiederum dicht von Händlern aller Art und Müßiggängern bevölkert war. Eigenartigerweise blieb niemand stehen, um mit Warngeschrei auf die illegale Aktion aufmerksam zu machen. Wenn überhaupt Unruhe unter den Passanten herrschte, dann wegen des Rummels auf der Piazetta, den Pasquale mit der von ihm gezündeten Rauchbombe ausgelöst hatte.
    Der Spiegelmacher stand ohne jedes Anzeichen von Hast auf und kam zu Lorenzo herüber, gefolgt von dem Alten, der ihm dicht auf den Fersen blieb und unablässig hustete, ohne dabei auch nur für einen einzigen Moment mit dem Grinsen aufzuhören.
    »Achtet darauf, nicht zu rennen oder sonst wie Panik zu verbreiten«, sagte Pasquale. »Davon hängt alles ab.« Er legte den Kopf schräg. »Jetzt.«
    »Hosianna«, sagte der Alte selig. »Herr, wir danken dir! Amen!«
    Lorenzo, der eine weithin hörbare Detonation erwartet hatte, war überrascht von dem eher unspektakulären Geräusch, das lediglich wie ein dumpfer Schlag geklungen hatte. Als er über Pasquales Schulter zum Zellenfenster hinüberblickte, sah er den schräg aus der Mauer ragenden Eisenstab und ein paar herumliegende Brocken von Steinen. In der Wand gähnte an der Stelle, wo vorher das Fenster gewesen war, ein drei Schritte breites Loch.
    Gemeinsam mit dem Spiegelmacher schlenderte er hinüber, während der Zwerg und der Alte wie auf eine geheime Verabredung hin verschwanden.
    Die Frauen hatten die Explosion unbeschadet überstanden. Zu dritt kauerten sie vor dem Fenster und blinzelten durch den sich kräuselnden, staubigen Rauch ins Freie.
    »Sicher habt Ihr schon einen Plan, was als Nächstes passieren soll«, presste Lorenzo zwischen den Zähnen in Pasquales Richtung hervor, während er mit äußerster Muskelanspannung den herausgesprengten Eisenstab vollends zur Seite bog. Auf der Brücke wurden die ersten misstrauischen Rufe laut, und diesmal gab es keinen Zweifel daran, wem sie galten. Lorenzo glaubte bereits, das Trappeln von Stiefeln zu hören, mit dem sich das Näherkommen der Wachen ankündigte.
    »Gleich ist hier der Teufel los«, fügte er vorsorglich hinzu.
    Pasquale deutete anstelle einer Antwort mit dem Kinn auf einen neu aussehenden Sàndolo, der an einem Holzsteg vor der Mole vertäut war.
    Lorenzo musterte das Boot skeptisch. Es würde ihnen niemals gelingen, die Frauen dort hinzuschaffen, ohne dass vorher eine Meute Bewaffneter über sie herfiel. Er fragte sich, wie er das dem Spiegelmacher begreiflich machen sollte, doch dann verschwendete er keinen weiteren Gedanken daran. Wortlos rieb er sich die Hände an der Hose ab und fügte sich in sein Schicksal, während er sich gleichzeitig schwor, so viele wie möglich niederzumachen, bevor es ihn erwischte. Er hatte zwei Dolche, ein Schwert und seine Fäuste.
    Dann ertönte der Knall, den er vorhin erwartet hatte, und diesmal übertraf er alle Erwartungen. Er kam aus Richtung der Basilika und war so gewaltig, dass Lorenzo das Pflaster unter seinen Fußsohlen vibrieren fühlte.
    »Was um …«
    »Sebastiano ist der verrückteste Hund, den Venedig je gesehen hat«, sagte Pasquale zufrieden. »Aber in manchen Dingen ist immer Verlass auf ihn.«
    Mit vereinten Kräften hievten sie die Frauen nacheinander aus der Zelle ins Freie. Zuerst Giulia, die während der ganzen Prozedur keinen Laut von sich gab, weil sie gleich zu Anfang das Bewusstsein verlor. Dann folgte Eleonora, die schluchzend und mit zusammenhanglosem Gestammel in Pasquales Arme sank, sodass es Lorenzo vorbehalten blieb, Sanchia schließlich allein nach draußen zu ziehen. Nie war ihm eine Last leichter erschienen. Er hielt sie umschlungen und fragte sich bange, ob sie immer schon so schmal und zerbrechlich gewesen war. Ihr Gesicht schmiegte sich für die Dauer eines Herzschlags in seine Halsbeuge, und er spürte die Wärme ihres Körpers. Aus den Augenwinkeln sah er, dass ihr Hinterkopf von einer Beule deformiert war, die so groß war, das sie kaum in seine Handfläche passte. Rasender Zorn erfasste ihn, und er wurde gewahr, wie er von einem blinden Trieb übermannt wurde: Er wollte für das, was ihr angetan worden war, jemanden töten.
    Sie spannte sich in seinen Armen an, und er begriff, dass sie wertvolle Zeit verschwendeten. Widerwillig ließ er sie los, nur wenige Augenblicke nachdem er sie an sich gezogen hatte.
    Rein äußerlich wirkte sie gefasst, doch

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