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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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konnten, wurde das Ganze zum Teufelskreis.
    »Schulen«, hatte Albiera einmal gesagt, »könnten die Standesunterschiede durchbrechen. Schulen für alle, Knaben wie Mädchen, Arm oder Reich.«
    »Soll ich dafür beten?«, hatte Sanchia in der kindlichen Naivität einer Achtjährigen gefragt.
    »Beten ist immer gut. Was noch besser ist: Lehre deine Tochter, so du je eine haben wirst, das Lesen. Bis dahin betrachte das Kloster ruhig als eine Insel der Seligen, besonders aber als eine der Frauen.«
    Der Gedanke an ein eigenes Kind führte sie unweigerlich wieder zurück zu ihren Erinnerungen an den einzigen Liebhaber, den sie je gehabt hatte. Ob sie jemals einen Mann kennen lernen würde, mit dem sie dasselbe verbinden konnte wie mit ihm?
    Hastig beantwortete sie sich gleich darauf ihre Frage selbst. Niemals. Nicht in diesem Leben und in keinem anderen danach. Sie bereute es, dass ihr der Gedanke überhaupt in den Sinn gekommen war.
    Der Domplatz war von flackerndem Widerschein erhellt. Lichtzungen zuckten über die Mauern und Tore des Baptisteriums, den Glockenturm und Santa Maria del Fiore. Als sie näherkam, sah Sanchia, dass vor dem Dom ein Scheiterhaufen aufgetürmt war, auf dem Möbel, Bilder und Bücher brannten. Die Anhänger Savonarolas, zumeist junge Männer, hasteten hin und her und warfen ständig neue Gegenstände in die Flammen. Gebrüll wogte auf und ab, und als mit einem Mal das mächtige Geläut der Glocken einsetzte, schien es wie eine vorhergeplante Abfolge, eine Komposition aus Zerstörung und Donnerhall.
    Die Domglocken übertönten das allseitige Geschrei der Menschen, doch vereinzelt waren noch schrille Rufe zu hören. »Nieder mit den Medici! Brennen soll der Plunder der Reichen!«
    Einige endlose Augenblicke lang erschien Sanchia der Anblick auf dem Domplatz wie ein schlecht inszeniertes Stück, bei dem die Darsteller sich gegenseitig auf die Füße traten, rangelten und einander wegschubsten, um schneller mit der nächsten Ladung an Büchern oder luxuriösem Hausrat beim Feuer einzutreffen als die anderen Mitwirkenden. Im Hintergrund standen Bewaffnete und schauten tatenlos zu. Einige lachten, andere betrachteten fasziniert das Lodern der Flammen. Mönche in den Gewändern des Dominikanerordens intonierten fromme Gesänge, die Hände zum Gebet erhoben.
    Der Junge war stehen geblieben. »Ob sie die ganze Stadt niederbrennen?«, schrie er gegen das Glockengeläut an.
    Einer der Mönche hörte ihn. Er drehte sich zu ihm um, das Gesicht vom Feuer beleuchtet wie auf einem Gemälde aus der Hölle. »Dies ist das Ende der Welt, mein Junge. Das Ende der Welt, wie wir sie kennen.«
    »Meint Ihr das Jüngste Gericht?«
    »Es ist das Gericht unseres Frate. Komm, du kannst helfen, da drüben liegt noch viel gotteslästerlicher Kram, der auf den Scheiterhaufen gehört.«
    Sanchia zog ihren Umhang vor der Brust zusammen. Ihr war kalt, obwohl vom Feuer sengende Hitze herübergetrieben wurde. Sie wollte den Jungen gerade ermahnen, weiterzugehen, doch dann fiel ihr Blick über seine Schulter in die Menge und fand ein bekanntes Gesicht. Es sprang sie förmlich an, wie eine geisterhafte Erscheinung aus einer anderen Welt.
    Die runden, glatt rasierten Wangen, das zu Stoppeln geschorene Haar, die kräftige Gestalt. So sah kein zweiter Mann aus, eine Verwechslung war ausgeschlossen.
    Sie streckte unwillkürlich die Hand aus, um sich irgendwo festzuhalten, weil sie Angst hatte, ihre Beine könnten sie sonst nicht mehr tragen. Das Feuer brauste mit einem Mal lauter als das Sturmläuten der Domglocken. Oder war es ihr Herzschlag, der alles andere übertönte?
    Der Mann in der Menge war Jacopo Sagredo, und er kam geradewegs auf sie zu.
    Lorenzo sah beklommen zu, wie der Pöbel den Scheiterhaufen mit der Habe reicher Kaufleute und Adliger fütterte. Die Flammen schlugen immer höher und warfen dämonische Schatten auf die Gesichter der Umstehenden.
    Sagredo, der vorhin noch neben ihm gestanden hatte, war in der Menge der Schaulustigen verschwunden, vermutlich auf der Suche nach einem stillen Winkel, wo er sein Wasser abschlagen konnte. Die Gefolgsleute der Medici standen abseits des Scheiterhaufens an einer der Bronzetüren des Baptisteriums und debattierten. Lautstark überlegten sie, ob es ratsam war, den Dingen ihren Lauf zu lassen.
    »Was können wir hier schon ausrichten?«, meinte einer. »Am besten, man lässt sie machen, irgendwann haben sie sich ausgetobt und geben Ruhe.«
    »Es sind unwiederbringliche

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