Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
Vom Netzwerk:
Kunstgegenstände, die da ins Feuer wandern!«, widersprach ein anderer. »Vasen, Skulpturen, Schriften – manche mehr als tausend Jahre alt! Habt ihr eine Vorstellung, welche Kulturschätze diese frommen Idioten da verbrennen?« Er redete sich in Rage, jeder Zoll ein Liebhaber klassischer und zeitgenössischer Kunst. Er deutete auf den gewaltigen Dom, dessen Umrisse sich weit oben in der Dunkelheit verloren, sowie den im Vergleich dazu fragil anmutenden Glockenturm, der wie ein Mahnmal den Platz überragte. »Was würdet ihr sagen, wenn sie diese Denkmäler vollendeter Baukunst in Brand setzen? Das Werk solcher Giganten wie Brunelleschi und Giotto! Oder die herrlichen Bronzetüren von Ghiberti und Pisano!« Wütend zeigte er auf das Baptisterium. »Soll der Pöbel das alles verbrennen dürfen, nur weil es Kunstwerke sind?«
    »Auf diese Idee käme niemand, weil diese Dinge der Frömmigkeit dienen.«
    »Was du nicht sagst! Und wer bestimmt im Einzelfall, was fromm ist und was frivol? Ist vielleicht Donatellos David für die Flammen bestimmt, weil er nackt ist?«
    »Was hilft es schon, wenn du dich aufregst? Ändern kannst du es doch nicht.«
    »Lasst uns auf die Gesellschaft von Giovannis Liebchen gehen«, schlug ein anderer Edelmann vor. »Wer weiß, wie lange man hier in der Stadt noch Spaß haben kann.«
    Damit hatte er es treffend auf den Punkt gebracht. Lorenzo, der die Unterhaltung in allen Einzelheiten verfolgt hatte, hätte am liebsten laut zugestimmt. Die Zeiten des Spaßes waren vorbei. Die Dinge waren aus dem Ruder gelaufen, die Tage der Medici fürs Erste gezählt. Die Gespräche, die Lorenzo mit einigen der Stadtoberen geführt hatte, deuteten alle in dieselbe Richtung. Je näher die Franzosen rückten, umso schlimmer wurde in Florenz die Endzeitstimmung. Der Machtwechsel war nicht mehr aufzuhalten, doch für die Zukunft gab es keine verlässlichen Perspektiven. Die Ratsmitglieder schienen kopflos, und alles, was sie im Sinn hatten, war die Entmachtung des glücklosen Piero. Es schien, als hätten sich die Ereignisse bereits verselbstständigt, wobei niemand wusste, was als Nächstes zu erwarten war. Savonarola und Karl der Achte – sie beide waren in diesem Spiel die unberechenbaren Faktoren.
    Der Serenissima blieb bei dieser Sachlage nichts weiter zu tun, als den König abermals ihrer Neutralität zu versichern, und ebenso, vorsorglich und unter strengster Geheimhaltung, auch Savonarola. Und all das, während hinter den Kulissen mit dem Vatikan, England, Spanien und den Habsburgern bereits eine Liga gegen Karl gebildet wurde, nur für den Fall, dass er den Bogen in Italien überspannen und seinem Machttrieb allzu freien Lauf lassen würde.
    »Kommt doch mit zu Giovannis Freundin«, sagte der junge Edelmann zu Lorenzo. »Sie ist neu in der Stadt und führt einen aufregenden Salon, mit exquisiten Speisen und hübschen Mädchen. Genau das Richtige für einen Abend wie diesen. Hier wird es allmählich langweilig, findet Ihr nicht?«
    Lorenzo gab eine nichts sagende Antwort und hielt Ausschau nach Sagredo, konnte ihn aber in der Menge nirgends entdecken.
    Das Glockengeläut war wieder verstummt, doch das Geschrei rund um das Feuer war keinen Deut leiser geworden. Lorenzo fühlte sich gründlich fehl am Platze. Nachdem er vor weniger als einer Stunde mit Savonarola gesprochen hatte, war ihre Mission in Florenz abgeschlossen, und am liebsten wäre er noch heute Nacht aufgebrochen, in Richtung adriatischer Küste. Auf der Hinreise hatten sie nichts Neues über die Frauen und Girolamo in Erfahrung bringen können, zum einen der Eile wegen, zum anderen bedingt durch die zunehmenden kriegerischen Auseinandersetzungen auf toskanischem Gebiet. Die meisten Leute versteckten sich, sobald sie einer Kavalkade ansichtig wurden, gleichgültig, ob es sich bei den Berittenen um durchziehende Soldaten oder Reisende handelte.
    Ein schwarzes Gesicht tauchte aus der Menge auf, und Rufio trat an seine Seite. Stumm und scheinbar gleichmütig betrachtete er das wilde Durcheinander rund um das Feuer.
    »Hast du Sagredo irgendwo gesehen?«, fragte Lorenzo.
    Der Schwarze schüttelte den Kopf.
    »Was ist los?«
    »Was sollte los sein?«
    »Du siehst irgendwie verstört aus«, meinte Lorenzo.
    »Woran merkst du das?«
    Lorenzo zuckte die Achseln, er wusste selbst nicht recht, wie er darauf kam.
    »Du hast ein gutes Auge«, sagte Rufio leichthin. »Denn es stimmt. Soeben hat einer dieser Kretins zwei Arme voll uralter ägyptischer

Weitere Kostenlose Bücher