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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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weiter. »Komm, hier ist es noch zu gefährlich! Der Medici muss diesen Weg nehmen, wenn er zum Palast will.«
    »Wir gehen in die falsche Richtung«, sagte der Junge besorgt.
    Sanchia konnte keinen klaren Gedanken fassen. Verstört blickte sie zu Sagredo auf. »Ich muss zu einer Geburt.«
    »Ah, unsere kleine Samariterin. Immer auf dem Sprung, anderen zu helfen und zu heilen.« Er schnalzte mit der Zunge, dann lächelte er sie traurig an.
    Beklommen fragte Sanchia sich, was hier nicht stimmte. Sie spürte plötzlich, dass er nicht ihretwegen hier war. Tätigte er in Annunziatas Auftrag Geschäfte in Florenz? Der Orden hatte weit verstreute Besitztümer, vielleicht sogar hier. Doch diese Frage war jetzt nicht wichtig. Es gab nur eins, was sie wissen wollte.
    »Habt Ihr … Ich sah Euch auf der Brücke stehen, als Lorenzo … Als er …«
    »Er hatte deinen Namen auf seinen Lippen, als er fiel«, sagte Sagredo.
    Sie wusste nicht, wohin mit ihrem Schmerz. Zitternd verschränkte sie die Arme vor der Brust. »War … ist er sofort gestorben?«
    »Nein. Er musste eine Weile leiden. Aber nicht sehr lange.«
    Sanchia hob beide Hände und presste sie gegen den Mund. Sagredo streckte die Hand aus und legte sie leicht an ihre Wange. »Ich … Es ist schlimm, dir diese Nachricht zu übermitteln, ich weiß. Verzeih mir, bitte.«
    Sagredo wandte das Gesicht ab. Um sie herum waren plötzlich mehr Menschen als vorher. Der Pöbel drängte vom Platz in die Ausfallstraßen, und rüdes Geschrei forderte immer lauter den Kopf von Piero de’ Medici. Der berittene Trupp kam direkt an ihnen vorbei, angeführt von einem Fackelträger, während Leibgardisten mit erhobenen Schwertern und Piken den Schluss des Zuges bildeten und allzu angriffslustige Verfolger in Schach hielten. Sanchia sah das ergrimmte, verzweifelte Gesicht von Piero de’ Medici und fragte sich, ob er wusste, dass sein Bruder in diesem Moment im Salon einer Kurtisane zu Abend speiste.
    Den Wert eines anständigen Essens wusste er augenscheinlich selbst recht gut einzuschätzen: Wie aus dem Nichts hatten sich Männer mit Säcken und Fässchen zwischen die Reiter und die nachrückende Menge geschoben und verteilten freigiebig Wein, Wurst und Gebäck, offenbar ein probates Mittel gegen den Volkszorn. Das Hufgetrappel entfernte sich in Richtung Medici-Palast, während der Pöbel sich gierig über die unerwarteten Gaben hermachte.
    Sanchia straffte sich. »Was habt Ihr über den Spiegelmacher Pasquale in Erfahrung bringen können?« Sie schrie, um den Lärm zu übertönen.
    »Gegen ihn wurde die Strafe der Verbannung verhängt.« Eilig fügte Sagredo hinzu: »Er wurde nicht gefoltert.«
    Sanchia gab ein stummes Dankgebet von sich.
    Sagredo trat einen Schritt zur Seite, als ein Betrunkener vorbeigetorkelt kam und aus Leibeskräften ein Hosianna zu Ehren des Herrn schmetterte.
    »Wir müssen zu meiner Mutter«, sagte der Junge plötzlich entschieden. »Sie kann sterben, wenn sie ohne Hilfe gebären muss! Ihr habt selbst gesagt, dass es gefährlich ist, Zwillinge zur Welt zu bringen!«
    Sagredos Blicke streiften über das Gedränge. Das zornige Geschrei wurde wieder lauter, und flüchtig suchte er Sanchias Blick. »Besser, du gehst jetzt deiner Wege«, sagte er. »Gleich wird es hier wüst zugehen, fürchte ich. Und ich muss mich ebenfalls beeilen, auf mich warten wichtige Geschäfte.«
    »Aber …« Sie wollte ihm noch so viele Fragen stellen. Wie Girolamo aus dem Gefängnis gekommen war. Wie es Annunziata und den anderen Frauen im Kloster ging.
    Doch im nächsten Moment hatte sich der Pöbel wieder zusammengerottet und stürmte johlend heran. Sanchia umfasste den Jungen und drückte sich mit ihm an eine Hauswand, während die aufgebrachte Menge durch die Straße strömte und ihre Parolen in die Nacht schrie, eine Mischung aus religiösen Lobgesängen und Forderungen nach radikalen Maßnahmen gegen die blutsaugenden, unfähigen Herrscher der Stadt.
    Menschen trampelten in einer wilden Horde vorbei, und Sanchia wurde mitsamt dem Jungen so hart gegen die Mauer gedrängt, dass ihr die Luft wegblieb. Als das Schlimmste vorbei war, hob sie den Kopf und atmete tief durch. Der größte Teil der Menge war vorübergezogen, um sich weiter nördlich vor dem Stammsitz der Medici zu sammeln.
    Im nächsten Moment zuckte ein Blitz vom Himmel, gefolgt von einem gewaltigen Donnerschlag, und gleich darauf prasselten schwere Hagelkörner herab. Regen und Eis fielen in dichten Schauern und

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