Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
ist Jacopo. Jacopo, der Orangenhändler. Und Ihr seid wohl ein Glasmacher, nicht wahr?« Er deutete auf die flache Kiste im hinteren Teil des Bootes, in der Piero bunte Musterstücke verstaut hatte. »Wollt Ihr das verkaufen?«
»Das geht Euch nichts an«, sagte Pasquale.
Der Obsthändler warf ihm unter hochgezogenen Brauen einen Blick zu. »Für wen haltet Ihr mich? Für einen Spion der Signoria? Ich wollte nur höflich sein.«
Unbehagliches Schweigen setzte ein, das eine Weile anhielt.
So gut es ging, bewegte Piero den Sàndolo durch den dichten Verkehr auf dem Wasser. Abwechselnd stakend und rudernd, steuerte er das im Vergleich zu den schmalen Gondeln eher schwerfällige Gefährt durch das Gedränge. Ursprünglich hatte er Sanchia zuliebe vorgehabt, um San Marco herumzurudern und dem Verlauf des Canal Grande bis zum äußeren Zipfel von Dorsoduro zu folgen, um dann auf dem Canale di San Marco das letzte Stück bis zum Markusplatz zurückzulegen. Doch jetzt bog er am Ende der Riva del Carbon in den nächsten Kanal ein, der San Marco nach Süden hin durchschnitt und der sie auf der gegenüberliegenden Seite des Sestiere an der Einfahrt zum Canalezzo herausbringen würde.
Sanchia hatte ihre Orange geschält und bis auf das letzte Stück verzehrt. Sie betrachtete immer noch die reich verzierten Häuserfassaden und das vielfältige Treiben am Ufer, doch die begeisterte Stimmung von vorhin war merklich abgekühlt. Der Osthändler machte seine Späßchen und gab sich alle Mühe, seine unfreiwilligen Weggenossen mit seiner guten Laune anzustecken, doch niemand ging darauf ein, außer Sanchia, die hin und wieder kichern musste, wenn er eine komische Grimasse schnitt.
»Du bist ein aufgewecktes Kind.« Er nahm ein paar Orangen und Zitronen und fing an, damit zu jonglieren. »Wie heißt du?«
»Sanchia«, antwortete sie, während sie ihm gebannt zuschaute. Er warf die Früchte gekonnt hoch und fing sie wieder, ohne dass eine zu Boden fiel. Zwischendurch verschwand immer eine von ihnen und kam dann auf magische Weise wieder dazu, ohne dass man hätte sehen können, wo sie zwischendurch blieb.
»Wie macht Ihr das?«, fragte sie.
»Zauberei«, sagte er gelassen. »Sanchia – ein schöner Name für ein schönes Mädchen. Das ist ein ungewöhnlicher Anhänger, den du da trägst. Er sieht sehr wertvoll aus.«
»Ich habe ihn von …«
»Schau, von hier aus kannst du die Giudecca sehen!« Piero deutete auf die lang gezogene Insel südlich von Dorsoduro. »Dort gibt es herrliche Gärten.«
»So ist es«, stimmte Jacopo zu. Er legte das Obst zur Seite. »Es ist immer noch sehr schön auf der Giudecca, zumindest, wenn man den Gestank aus den Abdeckereien und Gerbereien einmal außer Betracht lässt.« Er tat so, als müsse er sich üble Gerüche vor der Nase wegwedeln, was Sanchia erneut zum Lachen brachte.
»O weh«, sagte Jacopo betrübt, als schließlich linker Hand die Mole vor der Piazetta in Sicht kam. »Ich fürchte, es wird schwierig, hier anzulegen. Mir war klar, dass das Gedränge heute fürchterlich sein würde, aber dass es derartig voll wäre, hätte ich nun auch wieder nicht gedacht.«
Auf der Piazetta schien es einen größeren Volksauflauf zu geben. Der Platz wimmelte nur so von Menschen. Zu Wasser sah das Bild nicht viel anders aus. Unzählige Boote tummelten sich an der Anlegestelle und machten eine Durchfahrt von vornherein zu einem aussichtslosen Unterfangen.
»Schade. Ich dachte, ich hätte noch ein oder zwei Dutzend Orangen losschlagen können. Daraus wird wohl heute nichts mehr werden. Immerhin, die Sicht auf die Säulen ist von hier sicher weit besser als an Land.« Er hob einen feisten Arm und rief aus: »Ah, und seht nur, es ist schon so weit, Messèr Glasmacher! Die Renghiera läutet den Vollzug ein! Ihr habt nicht nur die kräftigen Schultern eines Galeerenruderers, sondern auch ein gutes Gespür für den richtigen Zeitpunkt!«
Sanchia reckte sich hoch, um einen besseren Ausblick auf das Geschehen auf der Piazzetta zu gewinnen. Pasquale, der mit offenem Mund ebenfalls zu den Säulen hinüberstarrte, vergaß völlig, sich um die Sicherheit seiner Schutzbefohlenen zu kümmern. Jacopo übernahm ungefragt diese Aufgabe, indem er Sanchia einen Arm um die Schultern legte. »Das, was jetzt kommt, ist vielleicht nicht so ganz nach dem Geschmack eines jungen Mädchens«, sagte er.
»Lasst mich!« Sie stieß ihn weg. »Ich will es sehen!«
Piero begriff, was auf der Piazetta vor sich ging und
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