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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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du?«
    »Sanchia.«
    Der Mann starrte sie an wie ein Gespenst, und Sanchia bemühte sich, seinen Blick möglichst unerschrocken zu erwidern, obwohl die Ausdünstungen seines Körpers sie trafen wie eine Keule. Er stank nach Schnaps, Schweiß und Asche. Seine Augen durchbohrten sie förmlich, und er streckte eine Hand aus, als wollte er sie berühren. Im letzten Augenblick ließ er sie wieder sinken, sehr zu Sanchias Erleichterung.
    »Eure Tochter … wie alt ist sie?«
    »Sechs«, log Piero sofort. Sein ganzer Körper hatte sich wie eine straff gezogene Sehne an einem Bogen gespannt. Sanchia öffnete den Mund, kam aber nicht mehr dazu, etwas zu sagen, denn Piero packte sie bei der Schulter und schob sie hinter seinen Rücken, als wäre sie ein Korb Wäsche oder eine Kiste mit Bruchglas.
    »Ihr macht ihr Angst«, sagte er barsch. »Sie mag keine Fremden.«
    Francesco Caloprini richtete sich auf und stolperte rückwärts gehend die Stufen hoch. Er gab ein trunkenes Gelächter von sich. »Nein. Sie mag keine Fremden. Nicht unsere Sanchia.« Eine weitere Lachsalve endete in Gestammel. In Sanchias Ohren klang es beinahe wie Weinen, unterbrochen durch erstickte Worte. »Kann doch nicht sein … Sanchia, o mein Gott, Sanchia!«
    »Zu viel Schnaps«, hörte Sanchia ihn anschließend hervorstoßen, während er sich weiter zurückzog. Sie hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, um seine lallende Stimme nicht ihren Namen sagen zu hören.
    »Das ist … ein Trugbild … Ich habe … sollte wirklich nicht mehr so viel trinken …«
    Sie umklammerte ihre Knie und schloss die Augen.
    Piero wartete, bis Francesco Caloprini die restlichen Stufen zur Balustrade hinaufgetorkelt und durch eine Seitentür verschwunden war, hinter der vermutlich die Treppe ins Obergeschoss oder ein Kontor lag.
    Dann stieß er entschlossen mit dem Ruder das Boot von der Mauer ab.
    »Vater?«, fragte Sanchia in die beklemmende Stille hinein.
    »Schweig«, sagte Pasquale grimmig. Er stand neben ihr und hielt sie fest, während Piero das Boot nach draußen stakte. »Bleib sitzen und sag kein Wort mehr.«
    Als der Sàndolo gleich darauf mit dem Heck voran ins Freie trieb, sah Sanchia im hellen Tageslicht, dass der Geselle genauso bleich war wie ihr Vater.
    »Es heißt, dass in dieser Stadt über hundert mal tausend Menschen leben«, sagte Pasquale. »Wenn nicht noch viel mehr. Damit konnte niemand rechnen, Maestro.«
    Piero schüttelte brüsk den Kopf. »Es war mein Fehler. Allein der Name … Sie ist ihr Ebenbild, siehst du es nicht?«
    Pasquale gab keine Antwort. Er hatte den Kopf abgewandt, aber Sanchia erkannte, wie seine Kieferknochen mahlten.
    »Vater? Was ist?«
    »Pasquale hat Recht. Schweig jetzt. Wir fahren nach Hause.«
    Er hatte den Sàndolo kaum zwei Bootslängen an der Fondamenta entlangmanövriert, als eine freundliche Stimme von oben ertönte.
    »Da seid Ihr ja, Messèr Foscari!« Ein Mann stand im Säulengang vor dem Piano nobile und beugte sich über das Geländer. »Ich komme runter. Wartet, ich bin gleich bei Euch!« Er verschwand im Inneren des Hauses, um wenig später aus der Seitengasse auf die Fondamenta zu kommen und zu ihnen zu treten.
    Sanchia erinnerte sich, dass er kürzlich bei ihrem Vater in der Werkstatt gewesen war. Sie hatte ihn nur kurz gesehen, als sie vom Spiel mit den Nachbarskindern heimgekommen und auf dem Weg zur Treppe an der offenen Werkstatttür vorbeigekommen war. Wie neulich war er auch heute elegant gekleidet, mit rubinfarbenen Calze, weich gegerbten Lederstiefeln, einer Tunika aus dunklem, goldbetressten Samt sowie einer auffallend glänzenden Wappenkette. Sein Haar war sorgfältig auf Kinnlänge gestutzt, und die Wangen waren sauber rasiert. Von Größe und Aussehen her ähnelte er frappierend dem Mann, den sie vorhin im Haus gesehen hatten, nur wirkte er wesentlich gepflegter und gesünder. Sanchia zweifelte nicht, dass sie Giovanni vor sich hatten, besagten geschäftstüchtigen Bruder von Francesco Caloprini, dem Säufer.
    Der Patrizier war zuvorkommend, höflich und frei von jeder Überheblichkeit, denn er neigte nicht nur kurz vor ihrem Vater den Kopf, sondern streckte sogar die Hand aus, um ihm aus dem Boot zu helfen. Als er ihm gegenüberstand, legte er mit einem Strahlen seine Hand auf Pieros Schulter. »Maestro, endlich sehen wir uns wieder! Ich war so begierig darauf, Euch hier begrüßen zu dürfen! Bitte seht es meinem Bruder nach, dass er Eure Ankunft verdorben hat! Bei dem Brand hat er

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