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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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venezianische Amtsträger immer wieder ein. Dass er gleichwohl weit davon entfernt war, ein Trottel zu sein, bewies er, indem er sofort nach den Ausführungen des Portugiesen hochschrak und diesen anklagend anstarrte. »Wie kann der Papst Land verteilen, das ihm überhaupt nicht gehört? Wie können Portugal und Spanien Land unter sich aufteilen, das noch niemand gefunden hat?«
    Lorenzo verkniff sich ein Lachen. Damit hatte der Sekretär auf den Punkt gebracht, woran das Konstrukt krankte. Natürlich hatten weder England, Frankreich noch andere Seemächte den Vertrag anerkannt. Sie waren entschlossen, ihre eigenen Ziele zu verfolgen, und diese beinhalteten ganz gewiss nicht, tatenlos den Spaniern oder Portugiesen bei der Ausbeutung neuer Kontinente zuzuschauen.
    »Verehrter Herr«, sagte der Portugiese gewandt, »was allein zählt, ist das Ergebnis und was es summa summarum einbringt.«
    »Ich hörte, wie zäh Portugal darum gerungen hat, die Linie vertraglich neu festlegen zu lassen«, sagte der Sekretär über seine zusammengelegten Hände hinweg. »Und wie eilig es mit der Ratifizierung war. Kann dies vor dem Hintergrund geschehen sein, dass womöglich zwischenzeitlich just entlang dieser Linie neues Land entdeckt wurde und Portugal dieses um jeden Preis vereinnahmen wollte?«
    »Aber keineswegs!« Es klang allzu bestürzt, um wahr zu sein. »Das könnte doch niemand geheim halten!«
    Das Gespräch nahm seinen Fortgang, es wurden Fragen des Gewürz- und Goldhandels erörtert und die Möglichkeiten, wie Portugal und die Serenissima sich unter Bündelung ihrer Kräfte als marktbeherrschende Nationen noch stärker etablieren und sich gegen andere Seemächte absetzen könnten. Insgesamt wusste Lorenzo nicht recht, was er von dem Portugiesen halten sollte. Sein Auftreten war eine Spur zu glattzüngig, seine Äußerungen zu allgemein gehalten. Francesco hatte ihn vorgewarnt. »Es geht nicht unbedingt darum, mit ihnen ins Geschäft zu kommen, sondern darum, sie im Auge zu behalten. Sie schnüffeln in der letzten Zeit ein bisschen zu viel in unseren Häfen herum, erkundigen sich über Absatzmöglichkeiten, Preise, Zwischenhändler. Es gibt Gerüchte, dass sie neues Land gefunden haben, und wenn sie erst anfangen, über neue Routen und mit neuen Rohstoffquellen unseren Gewürzmarkt aufzubrechen, haben wir verloren.«
    Nach der Sitzung suchte er seinen Onkel in dessen Palazzo auf. Francesco hatte unmittelbar nach dem Vorfall vor zwei Jahren ein Haus am Canalezzo bezogen. Es befand sich an der Grenze zwischen San Polo und Santa Croce und stammte aus dem Nachlass eines Kaufmanns, dessen Frau kurz nach ihm verstorben war. Die Erben hatten den Palazzo mit allem Inventar veräußert. Francesco hatte nur die Möbel behalten, die er für praktisch hielt, während er alle Stücke, die er unter die Kategorie Firlefanz zählte, kurzerhand an die nächstbesten Leute verschenkt hatte, die er auf der Straße getroffen hatte.
    Der kurze Anfall von Trunksucht, dem er sich kurz vor Lorenzos Verletzung aus unerklärlichen Gründen ergeben hatte, war nach ein paar Wochen wieder vorbei gewesen, und er hatte weitergelebt, als ob nichts geschehen wäre – bis auf den Umstand, dass er dem Familienstammsitz den Rücken gekehrt und sein eigenes Heim bezogen hatte. Allerdings war er dort nur selten anzutreffen, da er nach wie vor die meiste Zeit des Jahres auf Reisen war. Seinen geschickten Geschäftsabschlüssen war es zu verdanken, dass die Compagnia di Caloprini zu den mächtigsten Handelshäusern der Serenissima aufgestiegen war. Da sich das Vermögen einer adligen Familie in aller Regel auf das Oberhaupt konzentrierte, war immer noch Lorenzos Großvater väterlicherseits alleiniger Eigentümer der stetig wachsenden Einkünfte, jedenfalls im Rechtssinne. Lorenzo dachte manchmal flüchtig darüber nach, wie absurd es doch war, dass jemand, der seine Ausscheidungen nicht kontrollieren konnte und tagaus, tagein wie ein hilfloses Kind im Bett lag, zu den reichsten Männern der Stadt gehörte. Allerdings erschien ihm die Vorstellung, dass er selbst kaum weniger reich war, ebenso fremdartig. Das Vermögen, das er – ebenso wie sein Vater und sein Onkel – mit eigenen Handelsreisen und Beteiligungen an verschiedenen Mudue angehäuft hatte, überstieg mittlerweile seine Vorstellungskraft. Die Verwaltung und Mehrung hatte er schon vor geraumer Zeit verschiedenen Bankhäusern überlassen. Er wusste, dass eine Menge Geld da war, aber ihm kam nichts

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