Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
Tag des geplanten Abendessens.
»Ascanio Sforza.«
Sanchia erschrak. »Ist er mit Giovanni Sforza verwandt?«
»Meine Liebe, es gibt über ganz Italien verstreut hunderte von Sforzas, und sicher sind sie alle irgendwie miteinander verwandt.« Einschränkend meinte er: »Nun ja, er ist sein Onkel. Aber glaub mir, diese Blutsbande sind ganz gewiss nicht so eng, dass die heutige Abendgesellschaft um ihr Leben bangen muss. Es werden hundert Leute erwartet.« Er lachte sie an, und sie ließ sich gegen ihren Willen von seiner Heiterkeit anstecken. »Du bist unmöglich«, schalt sie. Dann legte sie nachdenklich den Kopf schräg. »Ich habe kaum Kleider. Was soll ich anziehen?«
»Was immer du denkst, meine Taube.«
»Das ist keine Antwort. Denn wäre es nur eine Frage meiner Gedanken, wüsste ich es ja bereits und würde dich nicht fragen.«
Geschlagen von dieser zwingenden Logik, runzelte Lorenzo ratlos die Stirn. »Hm, ja was?« Seine Miene hellte sich auf. »Besorg dir einfach irgendwas Hübsches.«
Sie verzichtete auf seinen weiteren modischen Rat. Stattdessen durchwühlte sie ihre Sachen und fand dabei heraus, dass nichts darunter war, was auch nur halbwegs die Bezeichnung hübsch verdient hätte. Ihr Hochzeitskleid war das einzige wirklich elegante Gewand, das sie besaß, und das hatte sie dummerweise nicht mit auf die Reise genommen. Folglich fasste sie den nahe liegenden Entschluss, ein neues Kleid zu kaufen. Sie suchte alle Läden auf, die auch nur entfernt den Eindruck hervorriefen, das Gesuchte zu führen, nur um festzustellen, dass außer mottenzerfressenem Plunder oder biederen Bauernkleidern auf die Schnelle keine Frauengewänder zu erstehen waren.
Sie passte im Palast eine der Zofen ab und fragte nach einer Schneiderin.
»Es muss aber eine sein, die schnell nähen kann«, fügte sie vorsorglich hinzu.
»Wie schnell?«
»Bis heute Abend.«
Die Zofe schaute skeptisch drein, versprach aber, einen Namen in Erfahrung zu bringen.
Am späten Nachmittag fand Sanchia auf ihrem Bett ausgebreitet ein Kleid, das ihr den Atem verschlug, und sie brauchte nicht einmal den Bruchteil eines Augenblicks, um zu wissen, von wem es stammte. In dem bestickten Ausschnitt steckte ein Zettel mit einer fein geschwungenen Handschrift.
Bitte nehmt dieses bescheidene Geschenk als Zeichen meiner Dankbarkeit. L.
Sanchia dachte nicht daran, das Geschenk abzulehnen. Wenn ihr von allen Leuten, die ihr bisher hier im Vatikan begegnet waren, überhaupt jemand halbwegs sympathisch war, dann Lucrezia Borgia.
Sorgfältig legte sie Stück für Stück der ihr überlassenen Garderobe an und betrachtete sich anschließend in dem Spiegel, der ebenfalls wie von Zauberhand aufgetaucht war. Es gab einen weiteren Spiegel, der die ganze Zeit schon da gewesen war, doch der war in Größe und Qualität nicht mit diesem zu vergleichen. Sanchia lächelte, als sie hineinschaute – nicht, weil sie so entzückt von ihrem Äußeren war, sondern weil sie wusste, wer ihn geschaffen hatte. Es war nicht nur eine Ahnung, sondern eine tiefe Gewissheit. Niemand außer Pasquale war zu solcher Meisterschaft imstande. Vor ihrer Romreise war sie noch einmal auf Murano gewesen und hatte gesehen, womit er in den letzten Monaten beschäftigt war, und sie empfand Genugtuung darüber, dass seine Handwerkskunst bereits den Weg in den Vatikan gefunden hatte. Bald würde sie über die Grenzen Italiens hinaus bekannt sein, und er würde diesen Erfolg erleben dürfen, anders als ihr Vater.
Lorenzo betrat den Raum, er war bereits fertig angekleidet. Sanchia lächelte ihn an, hingerissen von seiner eindrucksvollen Erscheinung. Zu den seidenen Beinkleidern trug er ein kurzes, mit Goldfäden besticktes Wams, aus dem die weiten, ebenfalls besticken Ärmel seines Hemdes hervorschauten. Über der Schulter lag ein Überwurf aus rotem Samt, der mit dem Wappen der Caloprini bestickt war und von einer juwelenbesetzten Spange gehalten wurde. Das farblich passende Barett war von flachem Zuschnitt, aus perlenbesetztem Samt und mit einer Feder geschmückt, die keck über seiner Stirn wippte.
»Wie schön du bist!«, sagte sie strahlend.
Er starrte sie mit offenem Mund an. Unsicher blickte sie an sich herab. »Stimmt etwas nicht? Gefällt es dir nicht? Ich fand es eigentlich nicht schlecht.«
Er fand seine Sprache wieder. »Nicht schlecht?« Seine Stimme klang rau. »Sieh dich doch an.«
»Das habe ich getan, und ich fand, es passt recht gut.«
Er lachte heiser. »Dergleichen
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