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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Zum einen war langes Stillen eine Möglichkeit, das brachte in den allermeisten Fällen zumindest etliche Monate Aufschub und bewegte sich im Rahmen der kirchlichen Gesetze. Eine andere Methode bestand darin, nur während der Monatsblutung mit dem Mann zusammenzukommen, doch das lehnten die meisten Frauen verständlicherweise ab. Als höchst unsicher war der Coitus interruptus anzusehen, welcher – abgesehen davon, dass auch er aus Sicht der Kirche als Sünde galt – schon zu mehr Schwangerschaften geführt hatte, als Sanchia zählen konnte.
    Von einer weiteren Methode hatte sie noch zu Lebzeiten Albieras erfahren. Die Äbtissin hatte ihr ohne jedes Zeichen von Verlegenheit unter Zuhilfenahme einer Gurke und eines sauber ausgekochten Schweinedarms vorgeführt, wie Frauen sich vor unerwünschten Schwangerschaften schützen konnten. Albiera hielt den Gebrauch des Schweinedarms vor allem für Prostituierte geeignet. »Es ist Sünde, die Empfängnis zu verhindern«, hatte sie erklärt. »Aber weit schlimmer ist es, wenn Mütter an der Abtreibung sterben oder ihre Kinder nach der Geburt töten.«
    Da Pater Alvise ihr in jeder nur denkbaren Hinsicht ergeben gewesen war, hatte er ihr vermutlich für die Weitergabe dieses Wissens sowie etlicher Schweinedärme regelmäßig die Absolution erteilt. Von Abtreibungen hatte sie stets strikt die Finger gelassen, genau wie später auch Sanchia, der bestens bekannt war, dass daran wesentlich mehr Frauen starben als an einer normalen Geburt. Allein die Ausführungen dazu bei Avicenna – unter anderem empfahl er als Abtreibungsmittel Taubenmist in der Vagina – hatten sie mit Schaudern erfüllt.
    Das Mittel der Wahl hatte Sanchia sich von Giulia zeigen lassen. Sie hatte sich eines Tages ganz einfach ein Herz gefasst und sie gefragt, was sie tat, um nicht zu empfangen.
    Giulia hatte ein Kästchen aus dem Beutel mit ihren Pflegeutensilien geholt und einen handtellergroßen Schwamm herausgenommen.
    »Mit Zitronenöl getränkt und kurz vor der Zusammenkunft eingeführt, bietet es hinreichenden Schutz«, hatte sie freimütig erklärt. »Man muss es allerdings sofort nach dem Gebrauch herausnehmen und in siedendes Wasser tauchen, bevor es wieder angewendet werden kann.« Sie selbst hatte das Mittel von einer tscherkessischen Sklavin. Unglücklicherweise hatte es nicht dazu getaugt, sie auch vor der Lues zu bewahren.
    Sanchia erklärte Eleonora, was sie tun konnte, um eine Schwangerschaft hinauszuschieben. Eleonora hörte stumm zu, die Hände über den Knien verschränkt. Sanchia konnte sehen, wie es hinter ihrer Stirn arbeitete.
    »Was ist los?«, fragte sie.
    Eleonora schwieg, doch plötzlich brach es aus ihr heraus. »Es ist so schrecklich! Ich spüre, dass alles schiefgehen wird!«
    »Aber wie kommst du denn auf diesen Gedanken? Fausto hat dich untersucht, es ist alles in Ordnung! Wenn du willst, kann ich gleich auch noch mal nachsehen.«
    »Nicht nötig, denn es spielt keine Rolle. Für euch mag es aussehen, als wäre alles bestens. Aber mein Gefühl sagt mir etwas anderes.« Eleonora hob den Kopf. In ihren Augen standen Tränen. »Das Schicksal sucht nach einem Ausgleich.«
    »Was meinst du damit?« Sanchia stellte die Frage, obwohl sie die Antwort bereits zu kennen glaubte.
    »Ich habe Pasquale seinen Sohn weggenommen«, flüsterte Eleonora, offene Verzweiflung im Blick. »Mir muss auch etwas genommen werden.«
    »Rede nicht solchen Unfug«, versetzte Sanchia beinahe grob.
    »Aber es geht ihm schlecht, er leidet! Ich spüre es von Murano bis hierher!«
    »Woher willst du das wissen? Es geht ihm sehr gut. Seine Arbeit füllt ihn vollständig aus. Letzten Monat hat er sogar eine neue Frau kennen gelernt, eine Witwe.« Die Lüge ging Sanchia so glatt von den Lippen, dass sie über sich selbst erstaunt war. »Sie kann nicht so gut kochen wie du, aber sie hat ein warmes Wesen.«
    »Wirklich? Wie alt ist sie? Welche Haarfarbe hat sie? Ist sie … dick oder dünn?«
    »Ich glaube, sie ist mittelalt und mitteldick. So richtig kenne ich sie noch gar nicht. Genau genommen habe ich sie noch gar nicht gesehen, nur von ihr gehört.«
    »Ach so.« Eleonora versank erneut in Schweigen. »Vielleicht kann sie ihm ein neues Kind schenken.«
    »Ganz sicher.« Sanchia stand auf. »Komm, lass uns nachsehen, was die Männer machen.«
    Sanchias Weigerung, im Vatikanspalast zu essen, führte dazu, dass sie häufig mit einem nagenden Hungergefühl herumlief. Ihre Furcht vor einem Meuchelmord hatte

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