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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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bei deinem Vater in die Lehre gehen. Es gibt keinen besseren Meister als ihn.« Nach kurzem Schweigen setzte er hinzu: »Und keinen besseren Menschen.«
    Sie war glücklich über diese Worte, weil sie von ebenso schlichter wie zweifelsfreier Wahrheit waren.
    Lorenzo fand die Anwesenheit des Kindes beunruhigend. Die intensive Musterung, der das Mädchen ihn unterzogen hatte, war ihm als Gipfel der Peinlichkeit erschienen. In letzter Zeit schienen alle und jeder ihn anzustarren, sodass er sich ein ums andere Mal seiner ungelenken Bewegungen und seiner viel zu großen Hände und Füße bewusst wurde. Es kam ihm vor, als sei beides innerhalb eines Jahres um das Doppelte gewachsen, von den Pickeln, die neuerdings auf seiner Stirn sprossen, ganz zu schweigen. Der dürftige Bartflaum, der sich seit einiger Zeit auf seinen Wangen zeigte, rief in ihm die Überzeugung hervor, dass sich dort niemals genug Haare entwickeln würden, um für eine Rasur zu reichen. Er hatte bereits versucht, das dünne Gewächs mit dem Rasiermesser seines Vaters abzuschaben, doch da diese Bemühung lediglich dazu geführt hatte, dass er hinterher wie das Opfer eines Abdeckers aussah, war er davon wieder abgekommen. Rufio, der schwarze Sklave der Familie, hatte dazu gelassen bemerkt, er solle sein Gesicht nicht anrühren, irgendwann würden die Pickel und Schrunden von allein verschwinden. Doch Lorenzo kam es so vor, als würden bis dahin noch Jahre vergehen.
    Auch ohne sich umzudrehen, merkte er, dass der Geselle und die Tochter des Glasmachers ihm folgten. Seine Laune sank entschieden. Er hatte sich den ganzen Morgen darauf gefreut, mit Meister Lombardo zu sprechen, doch das war ihm jetzt verdorben.
    »Wartet«, rief das Mädchen nun auch noch zu allem Überfluss, als sei er ein beliebiger Dienstbote statt das künftige Familienoberhaupt derer von Caloprini.
    Dennoch blieb er stehen. Sein Hauslehrer hatte ihm mit zahlreichen Stockhieben allzu oft eingebläut, dass einen Patrizier nichts so sehr auszeichne wie Höflichkeit, vor allem gegenüber Menschen aus dem Volke. Nun ja, und vielleicht noch die Fähigkeit, Seneca und Platon im Original lesen und aus dem Gedächtnis rezitieren zu können.
    Seufzend wandte er sich um.
    »Ihr lauft so schnell«, sagte sie entschuldigend.
    »Was willst du?«
    »Mit Euch reden und Euch Dinge fragen.«
    Er zuckte die Achseln. Solange es nichts Schlimmeres war!
    Doch einstweilen war Meister Lombardo wichtiger. Lorenzo brannte darauf, ihm bei der Arbeit zuzusehen.
    Sein Vater konnte mit Recht stolz darauf sein, Lombardo als Architekten gewonnen zu haben. Der Baumeister hatte sein Handwerk in der Toskana gelernt und bereits in früheren Jahren in Venedig gearbeitet. Danach hatte er eine Weile in Padua gewirkt, bevor er sich endgültig in der Lagunenstadt niedergelassen hatte. Die Scuole und der Klerus rissen sich seither darum, ihre Bauten von ihm planen und ausführen zu lassen, und für mehrere Dogen hatte er die Grabmonumente entworfen.
    Lombardo war bereits eingetroffen. Die Ärmel aufgerollt und ein Schweißband um den Kopf, stand er an der Baugrube und unterhielt sich gestikulierend mit einem hochmütig wirkenden Mann, dessen Umhang die eingestickten Insignien seiner Zunft aufwies. Allem Anschein nach war der Fremde ein Gastaldo der Maurerkorporation.
    Hin und wieder tauchten solche Amtsträger an den Baustellen auf, um die gesetzeskonforme Ausführung des Gewerks zu kontrollieren, vor allem die Regelung, dass kein Maurer eine neue Arbeit annehmen durfte, bevor er nicht den letzten Auftrag zu Ende geführt hatte.
    Offenbar gab es genau damit heute ein Problem, denn als Lorenzo die Baustelle erreichte, warf Lombardo gerade die Arme hoch und stieß eine Verwünschung aus, um gleich darauf mit scharfer Stimme einen der Arbeiter zu sich zu beordern, der mit gesenktem Kopf ein wenig abseits gewartet hatte.
    Nach einem weiteren kurzen Wortwechsel verschwand der Gastaldo, den gemaßregelten Arbeiter im Schlepptau.
    »Die alte Geschichte«, sagte Lombardo, als er Lorenzos ansichtig wurde. »Arbeiter gibt es so viele wie Fische in der Lagune, doch die wirklich guten Maurer werden von den Gastaldi schikaniert, wo es nur geht.« Der Baumeister schäumte. »Bauherren gehen die Mittel aus, und sie lassen ihre Palazzi halb fertig liegen. Die Maurer warten auf ihr Geld.« Er hieb mit der Faust in die flache Hand. »Ein armer Orden lässt das Gemäuer seiner Kirche ausbessern und hofft derweil auf ein pekuniäres Wunder. Die

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