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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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sondern eher so, wie Sanchia sich immer Marcus Antonius vorgestellt hatte.
    »Was erwartet dieses Weibsstück?«, presste er wütend zwischen den Zähnen hervor. »Dass wir zu ihrem Vater rennen und ihm an ihrer Stelle alles beichten? Nur weil sie selbst sich nicht traut? Sie will nicht das Blut ihres Bruders an ihren Händen kleben haben, aber sie will auch selbst nichts dagegen unternehmen, dass Cesare ihn sich vornimmt! Also bringt sie dich ins Spiel, und mich gleich dazu! Sie ist genauso intrigant wie die ganze Sippschaft!«
    »Sie ist kaum mehr als ein Kind! Und völlig durcheinander noch dazu! Sie kann nichts tun, außer ihren Gefühlen zu folgen, und die zerreißen sie förmlich! Versteh doch, sie ist ein Opfer, und das schon seit wer weiß wie vielen Jahren!«
    »Sie hatte sich bisher recht gut damit eingerichtet.«
    »Wie kannst du das sagen? Von dem einen Bruder wurde sie vergewaltigt, geschwängert und geschlagen, von dem anderen bis zur Hörigkeit missbraucht!«
    »Wir können es nicht ungeschehen machen!« Lorenzo hieb mit der Faust gegen den Bettpfosten, der daraufhin bedenklich knarrte und die ganze Bettstatt in Schwingung versetzte. »Die Borgia sind Furcht erregend, jeder auf seine Art! Aber ebenso sicher ist, dass die gesamten politischen Verhältnisse ebenso Furcht erregend sind. Blutrache und Blutschande sind noch die geringsten moralischen Ausfälle, die Rom zu ertragen hat. Doch auch hier gilt wie überall: Ein jeder macht sich das Bett selbst, in dem er liegen will. Und Rom hat sich die Borgia nun mal als Laken erwählt.«
    Bei dem Wort Laken riss er an dem Leinen, das er sich um den Körper gewunden hatte, mit dem Ergebnis, dass er es plötzlich in der Hand hielt und nackt dastand. Es kümmerte ihn nicht weiter, er setzte seinen Marsch einfach fort.
    »Wir können diese Verschwörung nicht aufdecken«, sagte er. »Selbst, wenn wir gleich danach abreisen würden, kämen wir nicht weit. Wir würden sofort ganz oben auf Cesares Liste stehen. Wenn Lucrezia Wert darauf legt, dass kein Brudermord geschieht, soll sie es selbst verhindern.«
    »Aber wir können doch nicht zusehen, wie …« Sie stockte und hob hilflos die Schultern. »Es wäre Unrecht.«
    »Es würde keinen Unschuldigen treffen. Juan geht selbst über Leichen.«
    »Er hat den Kämmerer des Kardinals ermorden lassen«, flüsterte Sanchia.
    »Ich weiß«, sagte Lorenzo müde. »Es hat schon die Runde gemacht. Ascanio ist in Tränen aufgelöst, er hat den Jungen über alles geliebt. Bisher wird sein Tod offiziell dem Papst angelastet, und der tut nichts, um es richtigzustellen.«
    »Und Juans Affäre mit Joffres Frau? Weiß Alexander davon?«
    »Das liegt nahe, da bereits alle Welt darüber lästert. Aber er unternimmt nichts dagegen. Juan ist sein Augapfel. Joffre zählt im Vergleich dazu nicht viel, manche bezweifeln sogar, dass er überhaupt Alexanders Kind ist. Es geht die Rede, er entstamme einem Seitensprung seiner Mutter – mit dem Ehemann, den der Papst ihr beschafft hat, um den Schein zu wahren.« Lorenzo lächelte zynisch. »Das also sind die Prioritäten, denen wir uns gegenübersehen.«
    »Könnten wir Juan nicht eine Warnung zukommen lassen?«
    »Er weiß selbst, was er mit seinem Verhalten herausfordert. Was denkst du, weshalb er nur in Begleitung seiner Leibwächter ausgeht? Er nimmt sie sogar mit, wenn er seine Mutter besucht.«
    »Was sollen wir denn nur tun?«
    »Nichts«, sagte Lorenzo schlicht. »Nichts, außer in diesem Sumpf am Leben zu bleiben und dabei das Beste für Venedig herauszuholen.«
    Sanchia blickte von dem Schreibpult auf, als es klopfte. Ein Gardist der Palastwache erschien und fragte, ob sie gewillt sei, die Söldner ihres Mannes zu empfangen. Als sie verblüfft nickte, verneigte er sich und verschwand. An seiner Stelle tauchte Ercole auf. Seine Miene spiegelte Besorgnis wider. »Wir haben Schwierigkeiten, Herrin.«
    Sie erschrak. »Schickt mein Mann Euch her?«
    Als er den Kopf schüttelte, atmete sie erleichtert auf. Inzwischen rechnete sie jeden Tag mit einer neuen Hiobsbotschaft, und die Tatsache, dass seit einer Woche nichts geschehen war, stellte ihre Nerven auf eine harte Probe. Sie durfte sich bei alledem vermutlich noch glücklich schätzen, während der ganzen Zeit keinen einzigen ihr bekannten Borgia gesehen zu haben. Lorenzo war dagegen in einer Runde ständig wechselnder Diplomaten mehrmals mit Alexander zusammengetroffen, ohne dass es besondere Vorkommnisse gegeben hätte. Sie

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