Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
hätten die Leiche an Händen und Füßen gepackt und ins Wasser geschleudert.
»Hat man ihn schon gefunden?«
Lorenzo schüttelte den Kopf. »Der Papst hat eine hohe Belohnung ausgesetzt. Hunderte von Fischern sind seit dem frühen Morgen auf dem Tiber unterwegs und suchen alles mit Netzen und Stangen ab.«
»Weiß man, wer dieser merkwürdige Maskierte ist?«
»Den kann man außer Acht lassen, es ist der Kämmerer von Joffres Frau – und zugleich ihr Kuppler. Er hat die heimlichen Treffen zwischen ihr und Juan eingefädelt und jeweils Zeit und Ort abgestimmt. Sie und Juan hatten in der Nacht ein Stelldichein, und danach ist er mit seinem Reitknecht allein wieder aufgebrochen. Der Kämmerer blieb bei seiner Herrin.«
Die Unruhe im Palast war förmlich mit Händen zu greifen. Überall in Rom, so erfuhren sie später, ließ der Papst nach Juan suchen. Die päpstlichen Häscher brachen Türen auf, drangen in Häuser ein und schikanierten die Bevölkerung auf der Jagd nach Informationen über den Verbleib des verschwundenen Herzogs.
Am Nachmittag wurde seine Leiche mit einem Fischernetz aus den Fluten des Tibers geborgen – in unmittelbarer Nähe von Santa Maria del Popolo. Die Hände des Toten waren auf dem Rücken gefesselt, die Kehle war durchtrennt und der Körper wies zahlreiche Stichwunden auf. Er war nicht ausgeraubt worden; sowohl das Schwert des Herzogs als auch eine volle Börse mit dreißig Dukaten hingen unangetastet an seiner Seite.
Der Leichnam wurde gesäubert, festlich gekleidet und noch am selben Abend in Santa Maria del Popolo beigesetzt.
Gleichzeitig wurde fieberhaft nach dem Holzhändler gefahndet, damit er erklären konnte, warum die Hände des Toten auf dem Rücken gefesselt waren, während er sie doch ausführlich als herabhängend beschrieben hatte. Doch der Mann blieb verschwunden. Es wurde rasch klar, dass er nur die Aufgabe gehabt hatte, für das Auffinden der Leiche zu sorgen, damit kein Zweifel offen blieb, dass Juan, Herzog von Gandìa und Sohn des Papstes, wirklich tot war.
Es hieß, der Papst habe sich in seinen Gemächern eingeschlossen, rasend vor Schmerz und Trauer. Sanchia entfloh der von Verdächtigungen und ständigen Untersuchungen aufgeheizten Atmosphäre des Palastes. Sie ließ sich von Ercole zu Eleonora und Sarpi begleiten, in der Hoffnung, dort auf andere Gedanken zu kommen. Mit Eleonoras Stimmung stand es jedoch ebenfalls nicht zum Besten, sie war deprimierter denn je. Von einem Astrologen hatte sie sich die Sterne deuten lassen und war davon überzeugt, dass nur Schlechtes auf sie zukam.
»Der Saturn verheißt nahendes Unheil«, sagte sie. »Letzten Monat war mein Horoskop auch schon schrecklich. Ich spüre bereits, wie das Unglück näher rückt.«
Sanchia wusste, dass viele Menschen, die es sich leisten konnten und etwas auf sich hielten, zur Entwicklung ihres Schicksals die Sterne befragen ließen, doch nach allem, was sie selbst bisher darüber von anderen gehört hatte, war sie der Meinung, dass jeder Astrologe schlicht das sagte, was ihm gerade in den Sinn kam oder was ihm Laune und Geldbeutel des Auftraggebers nahe legten. Sie versuchte Eleonora ihre Auffassung nahezubringen, doch diese ließ sich nicht überzeugen. Nicht einmal Agostino konnte sie aufheitern, der in Sanchias Beisein einen Satz mit fünf Wörtern von sich gab. »Tino Cornelia Milch trinken will«, lispelte er mit schelmischem Lächeln.
Sanchia musste darüber lachen, doch Eleonora kniff nur verärgert die Lippen zusammen. Sie litt seit ein paar Tagen vermehrt an Rückenschmerzen, und Sanchia untersuchte sie vorsorglich, um sich ein Bild über mögliche Komplikationen zu verschaffen.
»Das Kind liegt bereits sehr tief«, sagte sie leicht besorgt. »Es ist besser, du legst dich tagsüber öfter einmal hin. Lass mich rufen, wenn es schlimmer wird.«
Der Nachmittag verstrich in lähmender Langeweile. Eleonora saß apathisch neben dem Brunnen im Patio und grübelte vor sich hin, während Sanchia sich die Gemälde Sarpis anschaute. Es handelte sich um eine Reihe unterschiedlich großer Holztafeln und Leinwände, die er mit großem handwerklichem Geschick und einer nicht zu leugnenden künstlerischen Begabung bemalt hatte.
»In der letzten Zeit habe ich mit neuen Farbmischungen aus Holland experimentiert, man malt dort schon seit einer ganzen Weile in Öl. Hierzulande verbreitet sich diese Methode nur langsam, doch ich musste feststellen, dass es wesentlich einfacher ist als die
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