Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)
weißt du. Ich finde, er sieht ihr sehr ähnlich. Albiera, nicht Annunziata.«
»Wer? Dieser Doge? Ich dachte, die Ehrwürdige Mutter wäre die Schwester von dem Dogen Giovanni Mocenigo.«
»Das stimmt. Aber der hier war auch ihr Bruder. Ein richtiger Schwerenöter, wie man sagt. Angeblich hat er sich auf seine späten Tage für ein Vermögen türkische Sklavinnen gekauft, Zwillinge.«
»Davon habe ich auch gehört. Es heißt, sie hätten ihn innerhalb kürzester Zeit um sein letztes bisschen Manneskraft gebracht – und ihn damit ins Grab befördert.« Maddalena legte den Kopf schräg. »So sieht also ein Schwerenöter aus.«
»Man sieht es ihnen nicht immer an. Denk nur an Eleonoras Großvater.« Suchend blickte Sanchia sich um. »Hier sind noch mehr Mocenigos. Irgendwo hier muss der andere Bruder von Albiera sein.« Sie deutete in die äußere Ecke rechts vom Portal. »Ich glaube, sein Grabmal ist da drüben.«
»Ich will jetzt keine steinernen Dogen ansehen.« Maddalena fasste Sanchia beim Arm. »Komm schon, sonst breche ich noch vor Aufregung zusammen, bevor wir überhaupt angefangen haben.«
In der Apsis des heiligen Dominikus knieten drei Mönche und beteten. Sanchia zuckte beim Anblick der schwarzen Mäntel über den weißen Gewändern zusammen und ärgerte sich gleich darauf über ihre Schreckhaftigkeit. Ambrosio war seit mehr als fünf Jahren nicht in ihrem Umfeld aufgetaucht, und allmählich sollte sie ihre Angst überwunden haben. Es war gut möglich, dass er schon längst gestorben war. Zudem hatten die Verhältnisse sich grundlegend geändert. Sie war mittlerweile die Frau eines angesehenen, reichen Patriziers, dessen Familie Zugang zu den höchsten Kreisen der Serenissima hatte, und er war nur ein verrückter Eiferer, dessen Orden in der Öffentlichkeit stark an Ansehen eingebüßt hatte, seit Savonarola vor zwei Jahren hingerichtet worden war. Es war genauso gekommen, wie Lorenzo es vorausgesehen hatte: Der Papst hatte seine Macht ausgespielt, und Florenz hatte klein beigegeben und sich des Bußpredigers auf grausame Weise entledigt. Gebrochen durch den Strappado, hatte er beim hochnotpeinlichen Verhör alle ketzerischen Untaten zugegeben, die man aus seinem Mund hören wollte, und dann war er unter dem frenetischen Jubel des florentinischen Volkes zuerst aufgehängt und anschließend verbrannt worden.
Sanchia ignorierte die Mönche und betrachtete die Stirnwand des Querschiffs.
»Was ist denn?«, fragte Maddalena unruhig.
»Nur einen Moment.« Sanchia erkannte sofort den unverwechselbaren Stil von Piero Foscari, sie hätte es unter hundert anderen Fenstern augenblicklich richtig zuordnen können. Er war noch recht jung gewesen, als er es gefertigt hatte, es war ein paar Jahre vor ihrer Geburt entstanden, doch die Farben waren immer noch so klar und leuchtend wie damals. Es zeigte die Heiligen Georg und Theodor und die Namensgeber der Kirche, Johannes und Paulus.
Sanchia seufzte und fasste nach ihrem Anhänger. Sie trug ihn immer noch, verborgen unter ihrer Kleidung, doch stets griffbereit, wenn sie aufgeregt oder durcheinander war. Oder einfach nur traurig, so wie jetzt.
Widerstrebend löste sie sich von dem Anblick des Fensters und folgte Maddalena zur Sakristei. Einer der Mönche besaß die Kühnheit, sich zu ihnen umzudrehen und sie anzugaffen, wofür ihm sein Nachbar sofort einen Stoß mit dem Ellbogen verpasste. Sich während des Gebets ablenken zu lassen galt als Verstoß gegen die Frömmigkeit. Sofort bildeten alle drei Tonsuren wieder eine einzige, streng ausgerichtete Reihe.
Wenn später jemand die Mönche befragte, würde keiner von ihnen etwas Anrüchiges über sie sagen können. Eine edel gekleidete, tief verschleierte Dame in Begleitung einer jungen Benediktinerin war zur Tür der Sakristei gegangen und hatte dort angeklopft, und Bruder Filippo hatte ihnen geöffnet, um sie zum Prior zu führen, damit dieser der Dame die Beichte abnahm oder vielleicht eine Begräbnisangelegenheit mit ihr besprach.
Bruder Filippo tat einen Satz rückwärts, nachdem er sie eingelassen hatte. Groß und linkisch wie ein junger Storch verneigte er sich vor ihnen und trat anschließend nervös von einem Fuß auf den anderen.
»Habt Ihr eine Botschaft mitgebracht?«, fragte er flehend.
Maddalena verdrehte nur für Sanchia sichtbar die Augen zum Himmel. Armer Tropf, sagten ihre Blicke. Sanchia unterdrückte ein Grinsen. Die Gute war noch nie verliebt gewesen, sie konnte sich nicht vorstellen,
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