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Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Madonna von Murano: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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Weg in die Ägäis war die Flotte bei Korfu in eine Flaute geraten, und bei einem der Begleitschiffe hatte es einen Mastbruch gegeben, mehr hatte er nicht zu berichten. Sanchia war froh darüber, denn ihm standen noch genug Gefahren bevor. Die weitere Reise bis nach Konstantinopel führte durch Kampfgebiete, und der Geleitbrief mit dem Siegel des Sultans würde ihm nicht viel nützen, wenn der Konvoi, mit dem er segelte, in ein Scharmützel mit den Türken geriet.
    »Willst du etwa allein zu dieser Verrückten gehen?«, fragte Maddalena. Ihr Gesicht hatte einen erwartungsvollen Ausdruck angenommen, und in ihren Augen stand ein sensationslüsternes kleines Funkeln.
    Sanchia warf ihr einen schrägen Blick zu. »Vergiss es.«
    Auf dem Schiff hatte sich bereits Unruhe breit gemacht, bevor oben im Krähennest Warnschreie laut wurden.
    »Türken backbord voraus!«, brüllte der Ausguck.
    Es war ein Verband von einem runden Dutzend Schiffen, die sich in einer geordneten Formation bewegten und rasch näher kamen, die Bugrammen geradewegs auf die ungeschützten Breitseiten der venezianischen Galeeren ausgerichtet.
    »Sieht aus, als wären es ziemlich viele. Jedenfalls mehr als wir.« Ercole war von dem umgedrehten leeren Pökelfass aufgestanden, auf dem er gesessen und eine zweite Portion von den sauren Linsen verzehrt hatte, die ihnen vom Koch zum Mittagessen vorgesetzt worden waren. Tsing stand wie ein Schatten hinter ihm, die Hände vor der Brust gekreuzt wie der Mönch eines fernöstlichen Ordens. Er hatte die Linsen verschmäht, so wie er auch alle übrige blähende Kost ablehnte, seit Sanchia ihn auf eine leicht verdauliche, stuhlauflockernde Ernährung eingeschworen hatte. Ein weiteres Erlebnis mit Blutegeln wollte er sich ersparen, hatte er Lorenzo wissen lassen.
    Lorenzo schirmte mit der flachen Hand seine Augen gegen die senkrecht stehende Sonne ab. Die Schiffe segelten unter osmanischer Flagge, doch das war es nicht allein. Eines der Schiffe war auffallend groß und prächtig, mit geschmückten Decksaufbauten und vergoldetem Schnitzwerk, und auf dem Bugsegel trug es das Wappenbild von Demotika, der Geburtsstadt des Sultans.
    »Das ist Bayezids Schiff«, sagte er überrascht.
    »Ist das nicht der Sultan, mit dem Ihr sprechen wollt?«, erkundigte sich Ercole.
    Lorenzo nickte. Beunruhigt verfolgte er, wie die Flotte näher kam. Es waren zwölf Schiffe, doppelt so viele wie in dem venezianischen Verband. Sie segelten hart vor dem Wind und machten schnelle Fahrt. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie auf Geschützweite herangekommen waren.
    »Anker lichten!«, brüllte der Kapitän. »Alle Mann an die Ruder!«
    Von den übrigen Schiffen des venezianischen Konvois waren ebenfalls laute Kommandos zu hören. Matrosen kletterten überall wie Affen die Wanten hoch, um Segel zu setzen, doch es war zweifelhaft, ob die Zeit reichte, um vor dem zahlenmäßig weit überlegenen Angreifer Reißaus zu nehmen.
    Der Kapitän kam von Steuerbord herüber, ein zuverlässiger Offizier, der aus Rotterdam stammte. Er hatte schon zahlreiche Mudue geleitet und war ein erfahrener Seemann, der sich auch bereits Sporen in kleineren Seeschlachten verdient hatte. Schweiß perlte über sein Gesicht, als er herangestapft kam. »Sagtet Ihr nicht, es gäbe einen Geleitbrief von diesem heidnischen Höllenhund?« Er streckte anklagend den Arm aus und zeigte auf die Prachtgaleere des Sultans. »Und was macht er? Er will uns auf den Grund des Meeres rammen!«
    »Es ist Krieg«, sagte Lorenzo. »Da bleibt oft keine Zeit, Briefe vorzuweisen.«
    Das mochte stimmen, dennoch war er mindestens genauso aufgebracht wie der Holländer. Mit Bayezids Auftauchen hatte er hier an dieser Stelle ebenso wenig gerechnet wie der Kapitän, doch das war ein Fehler, der nur ihm selbst anzulasten war. Der osmanische Herrscher hatte zwar weniger Expansionsgelüste als seine Vorgänger, aber seit seiner Machtübernahme hatten seine Schiffe immer wieder Raubzüge gegen venezianische Hoheitsgebiete geführt, und seit Beginn der kriegerischen Auseinandersetzungen im letzten Jahr musste erst recht überall in der Ägäis und im Adriatischen Meer mit Überfällen der Türken gerechnet werden. Schon im letzten Sommer hatte es vernichtende venezianische Niederlagen auf See gegeben, bei Sapienza, Navarin und Lepanto. Es war außerdem bekannt, dass Bayezid II. gern selbst Schiffe befehligte und sich als Kriegsherr gebärdete, wenn es seine Zeit erlaubte, und ganz offensichtlich

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